nd-aktuell.de / 11.07.2020 / Politik / Seite 8

Inkompetent

personalie

Martin Ling

»Ich wurde positiv auf Covid-19 getestet, es geht mir gut, ich werde aus der Isolation weiterarbeiten. Gemeinsam schreiten wir voran.« Mit diesen Worten vermeldete Boliviens rechte De-facto-Präsidentin Jeanine Áñez ihre Coronainfektion. Von Sachkenntnis ist diese Twitter-Meldung nicht geprägt - bekanntlich wird man auf Sars-CoV-2 getestet, und verlaufsabhängig kann diese Infektion zur Lungenkrankheit Covid-19 führen. So weit ist es bei der 53-Jährigen noch nicht, die aus Beni stammt, einer »weißen« Provinz im Tiefland Boliviens, die sich traditionell in Opposition zum indigen geprägten Hochland sieht.

Dass es Áñez an Sachkenntnis fehlt, hatte sie bereits unter Beweis gestellt. Drei Tage lang tourte sie im April durchs Land und verteilte Beatmungsgeräte, die kurz zuvor aus Spanien eingetroffen waren. Wenig später wurde Áñez von Mediziner*innen darauf aufmerksam gemacht, dass die Beatmungsgeräte sich gar nicht für eine Intensivtherapie eignen, wie sie bei der Behandlung von Covid-19 erforderlich ist. Zu allem Überfluss stellte sich heraus, dass die Geräte vom Gesundheitsministerium zum Dreifachen des Listenpreises eingekauft wurden. Ihr damaliger Gesundheitsminister sitzt inzwischen in Untersuchungshaft.

Áñez war Mitte November 2019 nach dem Abgang von Präsident Evo Morales ins Exil mit dem Anspruch angetreten, in 90 Tagen Neuwahlen zu organisieren und keinesfalls selbst zu kandidieren. Beide Versprechen hat sie gebrochen. Angesetzt sind die Neuwahlen derzeit auf den 6. September. Letzten Umfragen zufolge liegt Áñez weit abgeschlagen auf dem dritten Platz hinter Carlos Mesa, der im Oktober 2019 Evo Morales unterlag, und dessen ehemaligem Wirtschaftsminister Luis Arce, der vorne liegt.

Áñez sieht ihre Felle davonschwimmen. Bisher setzte sie die Justiz als Waffe ein: Anklage wegen »Terrorismus« gegen Morales, Strafanzeige wegen »Veruntreuung« gegen Arce. Gebracht hat ihr das in den Umfragen nichts. Ein Corona-Mitleidsbonus wird aber auch nicht reichen. Martin Ling