nd-aktuell.de / 14.07.2020 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 15

Dänemark trotzt deutschem Dumping

Gute Arbeitsstandards und starke Gewerkschaften verhindern Corona-Massenausbruch in Schlachthöfen

Andreas Knudsen, Kopenhagen

17 Millionen Schweine werden in Dänemark durchschnittlich pro Jahr geschlachtet. Jeder Däne könnte demnach jährlich drei der Borstentiere essen, tatsächlich sind es laut offizieller Statistik 52 Kilogramm. Der Löwenanteil von Fleisch, Schinken und Würsten geht nämlich in den Export in andere EU-Länder, in die USA, nach China und Japan. Ganz anders als beim Nachbarn Deutschland läuft der Betrieb der Schlachtereien in der Coronakrise unvermindert weiter. Beeinträchtigt wird es nur durch die Schließungen bei deutschen Abnehmern. Dies betraf den Export von lebenden Ferkeln für die Mast und spätere Schlachtung. Im Schnitt wurden zuletzt 15 Millionen Ferkel jährlich aus Dänemark ausgeführt.

Dass das lukrative Fleischgeschäft von der Coronakrise kaum gestört wird, hat vor allem zwei Gründe: strenge Hygienemaßnahmen in den Betrieben und eine dank starker Gewerkschaften andere Art der Arbeitsorganisation als bei Tönnies & Co. üblich. »Wir haben etwa 8000 Schlachtereimitarbeiter in Dänemark und diese sind größtenteils gewerkschaftlich organisiert«, erklärt Jim Jensen, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Nahrungsmittelwirtschaft (NNF), gegenüber »nd«. Der Anteil der dänischen Arbeiter betrage etwa 70 Prozent, während 30 Prozent ausländischer Herkunft seien, darunter auch mehrere Hundert Deutsche. »Im Unterschied zur deutschen Fleischindustrie sind die dänischen Belegschaften bei den Schlachtereien angestellt und nicht bei Verleihfirmen. Dadurch sind die direkte Verbindung und direkte Verantwortung der Schlachtereien gesichert«, erläutert Jensen.

Der aktuelle Rahmentarifvertrag für die Branche sieht eine Fünf-Tage-Woche sowie eine tägliche Arbeitszeit von 7,4 Stunden vor. Auch wenn bezahlte Überstunden in Stoßzeiten möglich sind, werden Doppelschichten durch die bestehenden Regelungen ausgeschlossen. Auch eine Unterbringung ausländischer Arbeiter in Massenbaracken gibt es nicht - Beschäftigte leben in den eigenen vier Wänden. Viele ausländische Angestellte haben sich nach jahrelanger Beschäftigung mit ihren Familien in Dänemark niedergelassen, nur die deutschen Mitarbeiter pendeln meist täglich über die Grenze. Die Kombination scharfer Hygienebestimmungen am Arbeitsplatz, normaler Lebensverhältnisse und des gesellschaftlichen Lockdowns in den vergangenen Wochen hat bewirkt, dass es nur ganz wenige bestätigte Coronafälle bei Schlachtereiarbeitern gibt. Die dänischen Unternehmen forderten ihre Beschäftigten auf, bei Krankheitssymptomen zu Hause zu bleiben, um das Risiko einer Weitergabe des Virus zu minimieren. Auch das soziale Sicherheitsnetz einschließlich des Krankengeldes hat somit Massenausbrüche verhindert.

Die Praxis des massiven Lohndumpings in Deutschland wird in Dänemark zwar nicht nachgeahmt, hat aber dennoch Auswirkungen auf die dänische Produktion. In den vergangenen zehn Jahren haben Unternehmen etwa 5000 Arbeitsplätze abgebaut und zum Teil ins Ausland verlagert - dies ist quasi die soziale Kehrseite des Booms bei den Ferkelexporten. Die Gewerkschaft NNF kämpft erfolgreich dagegen an, dass die billigeren Produktionsverhältnisse in Deutschland und teils in Osteuropa auch in Dänemark eingeführt werden. Allerdings werden sie unverhohlen als Druckmittel in Tarifverhandlungen eingesetzt, um Lohnsteigerungen zu begrenzen.

Das mit Abstand größte Unternehmen ist Danish Crown. Es betreibt auch in Deutschland neun Schlachtereien selbst oder hat Anteile an ihnen. Hier sind die Beschäftigungsverhältnisse wie in der übrigen deutschen Fleischindustrie. Man sei »erleichtert« über die geplanten gesetzlichen Beschränkungen von Werkverträgen, sagt Firmensprecher Jens Hansen gegenüber »nd«. »Diese hätten schon vor 10 bis 15 Jahren kommen müssen.« Hansen zufolge sei Danish Crown »gezwungen« gewesen, sich »den deutschen Verhältnissen anzupassen« und auch Tausende dänische Arbeitsplätze nach Deutschland zu verlagern, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das hätten auch die Eigentümer verlangt. Dies sind übrigens die Landwirte, die die Schweine mästen. Die Konzernwurzeln gehen etwa 140 Jahre zurück, als die ersten Schweinezüchter lokale Schlachtereien nach dem Genossenschaftsprinzip organisierten. Diese Strukturen haben das deutsche Lohndumping bisher überlebt.