nd-aktuell.de / 15.07.2020 / Ratgeber / Seite 22

Ärztlicher Eingriff beim Kind: Einwilligung eines Elternteils

Gemeinsames Sorgerecht

Auf eine entsprechende Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (Az. 26 U 1/15) macht die AG Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) aufmerksam.

Der Fall: Das Mädchen war in der 32. Schwangerschaftswoche mit multiplen Krankheitssymptomen geboren worden. Es wurde zunächst in einem Herzzentrum, dann in einer kinderchirurgischen operativen Klinik behandelt. In einem weiteren Krankenhaus wurde eine diagnostische operative Biopsie durchgeführt.

Bei dem ärztlichen Aufklärungsgespräch davor war nur die Mutter anwesend. Sie unterzeichnete auch den anästhesistischen Aufklärungsbogen. Bei der Biopsie kam es zu Schwierigkeiten bei der Intubation und Beatmung des Kindes. Anschließend war das Kind fast durchgehend in Kliniken, bevor es mit zweieinhalb Jahren starb.

Die Eltern klagten, weil sie meinten, Behandlungsfehler erkannt zu haben. Sie waren auch der Meinung, vor dem Eingriff nicht hinreichend über Risiken und Behandlungsalternativen aufgeklärt worden zu sein. Zudem habe der Vater selbst keine Einwilligung erteilt, obwohl dies zwingen erforderlich gewesen sei.

Das Urteil: Die Klage bleib jedoch auch in der Berufungsinstanz erfolglos. Unter anderem nahm das Gericht zu der fehlenden Einwilligung des Vaters Stellung. Grundsätzlich, so der Richter, müssten beide sorgeberechtigten Eltern einem ärztlichen Eingriff bei ihrem minderjährigen Kind zustimmen. Erscheine nur ein Elternteil mit dem Kind, dürfe der Arzt allerdings in einigen Ausnahmefällen darauf vertrauen, dass der abwesende Elternteil den anderen zur Einwilligung ermächtigt habe. Handele es sich etwa um einen ärztlichen Eingriff schwerer Art mit nicht unbedeutenden Risiken, müsse der Arzt sich vergewissern, ob der erschienen Elternteil die Ermächtigung des andern Elternteils habe und wie weit diese reiche. Dabei dürfe er aber davon ausgehen, von dem Elternteil eine wahrheitsgemäße Auskunft zu erhalten.

Um einen solchen Fall habe es sich bei der geplanten Biopsie gehandelt. Der Sachverständige habe diese als leichten bis mittelgradigen Eingriff mit normalen Anästhesierisiken bewertet. Er habe auch die Frühgeburtlichkeit ausdrücklich nicht als Risiko erhöhend angesehen.

Es sei daher ausreichend gewesen, dass der Arzt sich bei der Mutter erkundigt habe, ob der Vater einwillige. Das habe sich der Arzt durch ihre Unterschrift auf dem Aufklärungsbogen, der einen entsprechenden Hinweis enthalte, bestätigen lassen. DAV/nd