nd-aktuell.de / 18.07.2020 / Wissen / Seite 32

Geht im CERN die Welt unter?

Das CERN in der Schweiz will sich einen neuen Teilchenbeschleuniger bauen. Kostet 20 Milliarden Euro. Braucht man so was Großes?
Genau genommen ist das CERN nur zum Teil in der Schweiz. Die aktuelle Anlage erstreckt sich über die Grenze nach Frankreich. Die Teilchen überschreiten also regelmäßig die Zollgrenze zwischen der Schweiz und der EU. Und ja, man braucht was Großes. Die kleinsten Teilchen kriegst du im Prinzip erst zu fassen, wenn du sie mit viel Energie beschießt.

Ist der Beschleuniger eine Kanone?
Wenn man so will, ja. Auch wenn er die Form eines Rings hat. Der aktuelle ebenso wie der neue. Der soll aber fünfmal so groß werden. Die Teilchen werden darin bis fast zur Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und dann aufeinandergeschossen. Wenn sie zusammenkrachen, zerlegen sie sich in andere Bausteine.

Und was bringt das?
Die derzeitige Theorie der Physik erklärt zwar eine ganze Menge. Aber wir wissen aus der Beobachtung von Galaxien und deren Bewegung: a) dass es da Massen gibt, die wir nicht sehen, und b) dass irgendeine Energie anscheinend dafür sorgt, dass sich das Weltall immer schneller ausdehnt. Und was macht der Mensch, wenn er etwas nicht kennt? Er findet es dunkel. Und deswegen heißen diese beiden Phänomene dunkle Materie und dunkle Energie.

Was ist das?
Man weiß es nicht so recht. Man dachte, vielleicht findet man mit dem jetzigen Beschleuniger eine Lücke im Standardmodell - etwas, das erst mal nicht erklärbar ist, uns aber irgendwo hinführt. Leider hat man keine Lücke gefunden, sondern nur das letzte noch fehlende Teilchen, mit dem man aber die Ruhemasse von Teilchen erklären kann: das Higgs-Boson. Und nun will man eine Maschine bauen, mit der man mehr Higgs-Bosonen bekommt, um die dann genau zu untersuchen, ob man vielleicht da noch einen Fehler findet.

Was ist mit dem Gerücht, dass man dabei aus Versehen die Welt zerstören könnte?
Bei den hohen Energien soll man auch winzige kurzlebige Schwarze Löcher erzeugen können, ein Phänomen, das man in der oberen Atmosphäre vermutet. Und die tatsächlich beobachteten Schwarzen Löcher haben die Eigenheit, alle Masse der Umgebung in sich hineinzusaugen.

Die Welt würde im Staubsauger verschwinden wie in einer alten ZDF-Serie?
Das ist reine Theorie. Wenn solche winzigen Schwarzen Löcher das Potenzial hätten, unendlich zu wachsen und alles wegzusaugen, dann wäre es längst passiert. Denn in der oberen Atmosphäre müsste das nach dieser Hypothese praktisch andauernd passieren. Die Teilchen aus dem interstellaren Raum haben oft Energien, von denen man am CERN nur träumen kann.