nd-aktuell.de / 19.08.2020 / Kultur / Seite 7

Vergessen zu können, wie groß das Universum ist

Verschwörung und Macht: In Stefan Kutzenbergers Roman »Jokerman« haben Fans von Bob Dylan das Sagen

Ernst Reuß

Zwar sicherlich kein historisches Sachbuch, aber mit unserer Geschichte hat der Roman »Jokerman« durchaus etwas zu tun: Ein entscheidender Wendepunkt war wohl der 15. Juni 1991 in Linz, wo Bob Dylan eines seiner schlechtesten Konzerte spielte. »Fahr heim und horche Bob Dylan, Geld spielt keine Rolle!«, sagt ein mysteriöser Mann zum Ich-Autor Stefan Kutzenberger. Das, was erst ein wenig geheimnisvoll anklingt, ist durchaus genau so gemeint.

Der Wiener Kutzenberger jedenfalls horcht, geht Stiegen hoch, trifft sich mit Hillary Clinton neben Mistkübeln und soll als »Jokerman« die Welt retten. Auf Wienerisch klingt das alles irgendwie charmant. Mitunter philosophisch anmutend, denkt Kutzenberger über das Leben nach und stellt fest, dass die »Eigenschaft des Menschen, vergessen zu können, wie groß das Universum ist, und stattdessen einen beliebigen Teilaspekt zum Zentrum der Welt und des Lebens zu erklären« uns erst ermöglicht zu überleben. Das erklärt viele Verschwörungsideologien. Kutzenberger erkennt relativ schnell, dass Bob-Dylan-Anhänger, die über den ganzen Erdball verteilt sind, die eigentliche Macht auf der Welt zu sein scheinen: Man muss nur seine Liedtexte entschlüsseln. Als Literaturwissenschaftler ist der Autor natürlich prädestiniert dafür, solche Texte zu decodieren, was er dann auch in seiner »Autofiktion« tut.

Was ist Fakt, was ist Fiktion? Ein Thema, das gerade in diesen Tagen sehr oft angesprochen wird. Im Laufe des Romans klärt sich dann zwar fast alles auf. Wieso ein Kalb sterben musste und was Dylan eigentlich mit dem Fall der Berliner Mauer zu tun hatte, jedoch nicht so richtig.

So weit, so klar. Zum Schluss bleibt die Frage: Was will uns denn Bob Dylan noch alles sagen? Und: Was das alles mit Island, Amy Winehouse, 9/11 und Donald Trump zu tun hat, kann man nachlesen - oder wird man eventuell noch bis zum 3. November 2020, zur Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten, sehen.

Für Bob-Dylan-Fans ist Kutzenbergers »Jokerman« ein Muss! Für Liebhaber des skurrilen und schwarzen Humors ebenfalls.

Stefan Kutzenberger: »Jokerman«. Berlin-Verlag, 352 S., geb., 22 €.