nd-aktuell.de / 25.08.2020 / Sport / Seite 16

»Gott sei Dank habe ich nicht aufgehört«

Aus dem Nichts gewinnt Sophia Popov als erste deutsche Golferin die prestigeträchtigen British Open. Sie ist 304. der Weltrangliste

Benjamin Siebert, Troon

Die Tränen flossen bei Sophia Popov schon vor dem letzten Putt. In der Gewissheit, gleich als erste deutsche Golferin eins der vier großen Major-Turniere zu gewinnen, konnte die 27-Jährige im altehrwürdigen Royal Troon Golf Club ihre Emotionen endgültig nicht mehr kontrollieren. »Es ist eine unglaubliche Geschichte«, sagte Popov nach ihrem Sieg bei den British Open am Sonntagabend mit tränenerstickter Stimme. »Deshalb bin ich am 18. Loch zusammengebrochen. Einfach, weil es etwas ist, wovon ich vor einer Woche nicht mal geträumt habe.«

Eigentlich wollte die in den USA lebende Popov ihre Golftasche schon in die Abstellkammer stellen. Lange Zeit wurde sie von einer mysteriösen Krankheit zurückgeworfen, wie sie nun verriet. Verschiedenste Symptome quälten sie, etwa 20 verschiedene Ärzte gaben ihre Meinung ab, sie verlor mehr als zehn Kilogramm Gewicht. Am Ende stand nach drei Jahren die Diagnose Lyme-Borreliose - die in Europa mit Abstand häufigste durch Zecken übertragene Krankheit.

Dazu kamen sportliche Rückschläge: Popov verlor ihre Spielberechtigung für die LPGA Tour, die höchste Klasse für Profis, und verpasste danach die erneute Qualifikation nur um einen einzigen Schlag. Ein bisschen war die bis dato Weltranglisten-304. trotzdem dabei: Vor drei Wochen trug sie beim Beustart der LPGA Tour nach der Coronapause noch als Aushilfscaddie die Schläger ihrer Freundin Anne van Dam.

»Ich hätte letztes Jahr fast aufgehört zu spielen. Gott sei Dank habe ich es nicht getan. Es fühlt sich unglaublich an«, sagte die in der Nähe von Boston geborene und im badischen Weingarten aufgewachsene Popov. »Dahinter steckt viel harte Arbeit. In den vergangenen sechs Jahren musste ich mich durch so viele Schwierigkeiten kämpfen.« Zwar spüre sie noch gelegentlich Symptome, aber insgesamt habe sie die Krankheit nun gut im Griff. Viel Unterstützung bekam sie in der schwierigen Zeit auch von ihrem Freund Maximilian Mehles, der im schottischen Troon als ihr Caddie dabei und natürlich erster Gratulant war. »Er hat mich die ganze Zeit beruhigt«, berichtete die Siegerin.

Popov strich einen Siegerscheck über 675 000 US-Dollar (570 000 Euro) ein - knapp viermal so viel, wie sie zuvor in ihrer gesamten Karriere verdient hatte. Dabei wäre der Triumph bei den British Open Championships beinahe gar nicht möglich gewesen. Erst im letzten Moment hatte sie einen Startplatz bei einem Qualifikationsturnier ergattert - aufgrund einiger Absagen wegen der Coronakrise. Dort qualifizierte sie sich ebenso knapp als Neunte für das Major-Turnier, wo sie nach nur einer Trainingsrunde nun ihren größten Erfolg feierte. »Die British Open waren eigentlich nur ein Bonus für mich«, sagte Popov, die erst wenige Monate zuvor auf der drittklassigen Cactus Tour in ihrer Wahlheimat Arizona ihren ersten Profisieg gefeiert hatte. Bei den Männern waren bislang nur Bernhard Langer (Masters 1985, 1993) und Martin Kaymer (PGA Championship 2010, US Open 2014) bei einem Major erfolgreich. »Was für eine Vorstellung. Glückwunsch zu deinem ersten Majorsieg«, gratulierte Kaymer bei Instagram.

»Eine einzige Woche hat mein Leben auf den Kopf gestellt«, schrieb Popov selbst am Montag über die sozialen Medien. Sie dürfte nun auch nie wieder die Taschen anderer tragen müssen. Ab nächster Saison hat sie für fünf Jahre eine Startberechtigung auf der lukrativen LPGA Tour sicher.dpa/nd