nd-aktuell.de / 26.08.2020 / Politik / Seite 2

Kein Zeug zum Helden

Der Oppositionspolitiker Alexej Nawalny hat hierzulande viele Unterstützer. Seine Kooperation mit Rechtsradikalen wird oft verschwiegen

Aert van Riel

Jaka Bizilj ist ein umtriebiger Mann. Der in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana geborene Wahlberliner ist Filmproduzent, Konzertveranstalter und unterstützt immer wieder russische Oppositionelle, wenn diese in Not sind. Die von Bizilj gegründete Stiftung »Cinema for Peace« hatte vor rund zwei Jahren einen Flug von Pjotr Wersilow, Mitglied der Künstlergruppe »Pussy Riot«, nach Berlin organisiert. Wersilow wurde in die Charité gebracht, die eine Vergiftung des Aktivisten für wahrscheinlich hielt. Ähnlich erging es nun Alexej Nawalny, der derzeit in demselben Krankenhaus behandelt wird.

Trotz ihrer Hilfsmaßnahmen spricht viel dagegen, »Cinema for Peace« als hauptsächlich humanitäre Organisation zu bezeichnen. So werden ihre Veranstaltungen immer wieder kritisiert. Der Maler und Aktionskünstler Hermann Josef Hack hatte vor einigen Jahren moniert, dass sich bei der Spendengala von »Cinema for Peace« die teuersten Promis der Regenbogenpresse tummeln. »Hier lassen sich die Multimillionäre und sogenannten Prominenten aller Gattungen gerne bei ihren feinsten Galadiners zugunsten der Ärmsten feiern«, schrieb er in einem Beitrag auf dem Internetportal Klimaretter. Peinlich fand Hack, dass sich die Teilnehmenden auf Kommando des chinesischen Künstlers Ai Weiwei goldene Isodecken überstreiften, welche normalerweise den gestrandeten Flüchtlingen von Helfern gereicht werden, um ihre unterkühlten Körper aufzuwärmen.

Wenn die PR im Vordergrund steht, wird oft der Blick auf wichtige Dinge verschleiert. Das gilt auch für den Fall Nawalny. Erschütterung und Empörung über seine wahrscheinliche Vergiftung stehen im Vordergrund. Was für ein Politiker er eigentlich ist, wird oft unterschlagen. Deutsche Medien und Politiker bezeichnen den Rechtsanwalt und Antikorruptionsaktivisten in der Regel als Kritiker von Präsident Wladimir Putin.

Dabei gibt es sehr viel mehr über Nawalny zu sagen. Viele seiner Aussagen zeigen, dass er weit rechts steht. Wie populär Nawalny in Teilen der russischen Bevölkerung ist, zeigte sich bei der Moskauer Bürgermeisterwahl im September 2013. Er erhielt mehr als 27 Prozent der Stimmen, lag aber deutlich hinter dem Amtsinhaber Sergei Sobjanin von der Regierungspartei Einiges Russland. Im Wahlkampf hatte Nawalny behauptet, dass die Hälfte aller Straftaten in der Hauptstadt von Migranten begangen werden. Frauen in seiner Nachbarschaft hätten Angst, abends auf die Straße zu gehen. Um die Migration einzudämmen, forderte Nawalny eine Visumspflicht für die früheren Sowjetrepubliken in Zentralasien.

Noch deutlicher wurde Nawalny nach der Wahl. Im November rief er seine Anhänger dazu auf, am sogenannten Russischen Marsch teilzunehmen. Dieser findet alljährlich statt. Nach Agenturberichten forderten rechtsradikale Teilnehmer des Marsches ein »starkes und slawisches Russland« und riefen: »Russland nur für Russen.« Nawalny ist klug genug, nicht mehr wie früher als Redner bei dieser Veranstaltung aufzutreten. Das könnte seinem Image im westlichen Ausland schaden, ein Liberaler zu sein. Nawalny schrieb in seinem Blog, dass er nicht hingehen werde, weil seine Teilnahme von staatlichen Medien »für Propaganda missbraucht werden könnte«. In den Folgejahren äußerten sich Organisatoren des Marschs wie Ivan Beletskij positiv über Nawalny und sagten ihm politische Unterstützung zu.

Anders als etwa in Deutschland gibt es in Russland nicht immer eine strikte Trennung zwischen linken und rechten Oppositionellen. So hat Nawalny in der Vergangenheit auch gemeinsam mit dem linken Aktivisten Sergei Udalzow Proteste gegen die Regierung organisiert. Angesichts dessen ist es für Außenstehende nicht leicht, sich ein Bild von der Opposition in Russland zu machen. Dass aber nun unter anderem das Auswärtige Amt lediglich Nawalnys Rolle als Korruptionsbekämpfer betonte und ihn dafür lobte, dass seine Tätigkeit »wichtig für die Transparenz in einer Demokratie und für eine lebendige Zivilgesellschaft in Russland« sei, ist an Einseitigkeit kaum zu überbieten.