nd-aktuell.de / 02.09.2020 / Politik / Seite 5

Gegenwind für Chinas Außenminister

Wang Yi wirbt in der EU dafür, nicht dem Eskalationsweg der USA zu folgen

Alexander Isele

Partner, Wettbewerber oder gar Rivale? In der Europäischen Union sind sich die Mitgliedsstaaten keinesfalls einig, wie sie zu China stehen. Doch in den vergangenen Monaten kippte die Stimmung merklich gegen Peking, wie Chinas Außenminister Wang Yi bei seinem Besuch in den vier EU-Staaten Italien, Niederlande, Frankreich und Deutschland sowie in Norwegen feststellen musste. Die anfänglichen Vertuschungsversuche des Corona-Ausbruchs kosteten China Vertrauen. Dazu kommen geleakte Akten, die die Unterdrückung der Uiguren belegen, das Nationale Sicherheitsgesetz in Hongkong, das sehr erfolgreich Kritiker in der Sonderverwaltungszone verstummen lässt, und die Kriegsdrohungen gegen Taiwan, die in der EU Sorge verbreiten. Obendrauf setzen die USA ihre Verbündeten unter Druck, auf Distanz zu China zu gehen. Die Konfrontation zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Erde bauscht sich seit Monaten auf.

Nach Monaten der digitalen Kommunikation ist der Besuch Wangs auch ein Versuch, die Wogen zu glätten und die EU dazu zu bringen, Washingtons Eskalationskurs nicht zu folgen. Doch in allen besuchten Hauptstädten wurde Wang mit Kritik konfrontiert. In Berlin am Dienstag forderte Außenminister Heiko Maas China auf, die Einschränkungen für Hongkong unter dem Sicherheitsgesetz rückgängig zu machen und die verschobene Wahl des Legislativrats schnell und ungehindert stattfinden zu lassen. «Wir wollen, dass das Prinzip ›Ein Land, zwei Systeme‹ im vollen Umfang angewandt werden kann.»

Maas sprach gegenüber Wang auch die Menschenrechtslage der unterdrückten muslimischen Minderheit der Uiguren in der Region Xinjiang im Nordwesten Chinas an und forderte den Einsatz einer UN-Beobachtermission. Er habe von Wang eine Bereitschaft dazu gehört«. Die Lage der Uiguren solle auch beim kommende Woche stattfindenden deutsch-chinesischen Menschenrechtsdialog Thema sein, der zuletzt Ende 2018 stattgefunden hatte.

Wang wies jegliche Kritik zurück: »Wie können so viele Chinesen mit der Arbeit der Regierung zufrieden sein, wenn sie wirklich so schlecht ist?«, sagte er in Berlin. Es handele sich außerdem um interne Angelegenheiten der chinesischen Gesellschaft.

Auch in Oslo, Paris, Den Haag und Rom wurde Wang mit Kritik konfrontiert. Italiens Außenminister Luigi di Maio sagte, Hongkongs Autonomie stehe nicht zur Disposition. In den Niederlanden lud der Parlamentsausschuss für Auswärtige Angelegenheiten Wang provokativ ein, um die Menschenrechtslage in seinem Land zu diskutieren - Wang lehnte ab. In Oslo musste er auf der Pressekonferenz Spekulationen über die Verleihung des Friedensnobelpreises an die Hongkonger Demokratiebewegung über sich ergehen lassen. In Paris teilte Präsident Emmanuel Macron Wang seine Sorge über die Lage der Uiguren und in Hongkong mit. In Rom und Berlin forderten Demonstranten und Größen der Hongkonger Demokratiebewegung wie der nach London geflohene Nathan Law die EU dazu auf, eine Neubewertung ihrer China-Politik vorzunehmen.

In einem weiteren Konfliktherd mit China zeigt die EU ungewohnte Einigkeit. Seit Tagen kritisiert Peking die derzeitige Reise des tschechischen Parlamentariers Milos Vystrcil nach Taiwan. Wang hatte die Reise der 90-köpfigen Delegation aus Politikern, Unternehmern, Journalisten sowie Vertretern wissenschaftlicher und kultureller Institutionen in Taiwan kritisiert und gesagt, Vystrcil werde für sein kurzsichtiges Verhalten einen hohen Preis zahlen müssen. Das Ein-China-Prinzip infrage zu stellen, bedeute, sich zu einem Feind der 1,4 Milliarden Chinesen zu machen. Maas stellte in Berlin klar, dass die EU in der Außenpolitik im engen Schulterschluss agiere und Partnern mit Respekt begegne. »Wir erwarten dasselbe genauso umgekehrt. Und Drohungen passen dazu nicht.«

Wie wichtig China die Beziehungen zu Ländern der EU sind, darauf lässt auch der nächste Gast schließen. Kurz nach der Abreise Wangs soll Politbüro-Mitglied Yang Jiechi Spanien, Griechenland und möglicherweise Portugal besuchen.