nd-aktuell.de / 04.09.2020 / Sport / Seite 16

Stetes Spiel um Aufmerksamkeit

Die Fußballerinnen starten mit alten Problemen in die neue Bundesligasaison

Alexander Ludewig

Sogar Siegfried Dietrich kann man noch überraschen. Der 63-jährige Sportmanager verantwortet seit 1993 die Entwicklung der Fußballerinnen in Frankfurt am Main. Auch als langjähriger Ligasprecher und Vorsitzender des Ausschusses Frauen-Bundesligen beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) hat er Erfahrungen gesammelt. Am Mittwoch erlebte er eine Premiere - die erste digitale Saisoneröffnungspressekonferenz in der höchsten Spielklasse der Fußballerinnen. »Ich finde es spannend, auf diese Art zusammenzukommen«, sagte Dietrich und verwies zugleich auf einen Vorteil: »So sind viele dabei, die sonst vielleicht nicht gekommen wären.« Immerhin 26 Teilnehmer drängelten sich in dem vom DFB eingerichteten virtuellen Raum.

Die Coronakrise wird auch die kommende Saison bestimmen. Aber selbst rückblickend fand Dietrich positive Worte. Dass die vergangene Spielzeit beendet werden konnte, sei ein extrem starkes Signal gewesen, um als Profiliga wahrgenommen zu werden. »Die Welt hat auf uns geschaut. Jetzt müssen wir das Beste daraus machen.«

Die Probleme der Bundesliga werden aber schon beim Blick auf das Eröffnungsspiel an diesem Freitag offenbar. Die Titelverteidigerinnen vom VfL Wolfsburg empfangen die SGS Essen. Beim Serienmeister aus Niedersachsen sind die Tränen über das verlorene Finale in der Champions League gegen Lyon noch immer nicht getrocknet. »Wir hatten uns mehr erhofft, aber uns wurden die Grenzen aufgezeigt«, sagte der Sportliche Leiter Ralf Kellermann. Noch härter trifft den VfL der Wechsel von Pernille Harder zum FC Chelsea. »Wir hatten keine Chance, sie zu halten«, offenbarte Kellermann und verwies erneut auf den »Trend, dass die Topspielerinnen nach Spanien, Frankreich oder England gehen«.

Zusammen mit Bayern München starten die Wolfsburgerinnen nach vier Double-Siegen in Folge natürlich auch in diese Saison als Favoritinnen. Denn der VfL hat sich entsprechend verstärkt. Das wiederum führt direkt zum Gegner des Auftaktspiels. Der SGS Essen gelang zuletzt mit Platz vier in der Bundesliga und dem Erreichen des Pokalfinals die beste Saison der Vereinsgeschichte. Dann verließen gleich vier deutsche Nationalspielerinnen den Klub - mit der 18-jährigen Lena Oberdorf wechselte die talentierteste nach Wolfsburg. Lea Schüller und Marina Hegering laufen künftig für die Münchnerinnen auf, Turid Knaak zog es zu Atlético Madrid. In Essen steht ein Neuaufbau an, ein Schicksal, das Vereine wie Turbine Potsdam oder der SC Freiburg seit Jahren kennen.

Dieser Weg führt nicht zu einer ausgeglicheneren Liga - ein Zeichen von Stärke und notwendig im internationalen Wettstreit. Um aufzuholen, bedarf es größerer Aufmerksamkeit. Dafür schaut Manuel Hartmann immer »neugierig auf die Entwicklungen in Spanien oder England«, wie er am Mittwoch sagte. Erste Erfolge konnte der DFB-Abteilungsleiter Spielbetrieb bereits vermelden. Durch mittlerweile drei TV-Partner konnte die Sendezeit in der vergangenen Bundesligasaison verdreifacht werden. In den Stadien sei der Zuschauerschnitt um 20 Prozent gestiegen. Immerhin: Für das Auftaktspiel in Wolfsburg ließen die lokalen Behörden 500 Fans zu.

Hoffnungsvolles konnte auch Laura Benkarth berichten. »Uns geht es extrem gut. Wir haben professionelle Bedingungen, ich kann hauptberuflich Fußball spielen und nebenbei studieren«, beschrieb die Torhüterin des FC Bayern die Situation im Jubiläumsjahr. Erst im Oktober 1970 hatte der DFB das Fußballverbot für Frauen aufgehoben.

Mehr Spannung versprach Benkarth gleich mit. »Wir wollen die Wolfsburger Dominanz brechen«, kündigte sie nach vier Münchner Vizemeisterschaften an. Interessanter wird auf jeden Fall der Kampf hinter den beiden Großen, denn die Bundesliga hat nun einen dritten Startplatz in der Champions League. Auf diesen schielt Siegfried Dietrich. Der Wechsel seines 1. FFC Frankfurt unter das Dach von Eintracht Frankfurt eröffnet neue Perspektiven. Und: Die Fußballerinnen sollen laut Dietrich kein alimentiertes Anhängsel des Männervereins bleiben, sondern »in drei, vier, fünf Jahren selbst Gewinne erwirtschaften«.