nd-aktuell.de / 18.09.2020 / Politik

Lukashenko will Grenzen zu Polen und Litauen schließen

Der belarussische Präsident will offenbar mit militärischer Eskalation die Massenproteste schwächen

Minsk. Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko hat eine Schließung der Grenzen zu Polen und Litauen angekündigt. Die beiden EU-Länder seien kurz davor, einen Krieg anzufangen, sagte Lukaschenko laut der staatlichen Nachrichtenagentur Belta am Donnerstag. »Darum sind wir gezwungen, die Armee von den Straßen abzuziehen, die Hälfte der Armee in Kampfbereitschaft zu versetzen und die Grenzen nach Westen zu schließen, vor allem nach Litauen und Polen«, sagte er demnach.

Seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl in Belarus am 9. August sieht sich der seit 26 Jahren autoritär regierende Lukaschenko mit Massenprotesten konfrontiert. Hunderttausende Menschen gehen regelmäßig gegen den Präsidenten auf die Straße, werfen ihm Wahlfälschung vor und fordern Neuwahlen. Die Sicherheitskräfte im Land gehen mit großer Härte gegen die Demonstranten vor.

Lukaschenko hat der Nato vorgeworfen, in Polen und Litauen entlang der Grenze zu Belarus Truppen zusammenzuziehen. Warschau, Vilnius und die Nato wiesen seine Vorwürfe als haltlos zurück.

EU-Parlament erkennt Oppositionelle als Repräsentantin des Staates an - Polen schlägt Marschallplan vor

Im wochenlangen Machtkampf in Belarus (Weißrussland) spricht sich das Europaparlament für direkte Sanktionen gegen den Staatschef Alexander Lukaschenko aus. Dazu verabschiedeten die Parlamentarier am Donnerstag in Brüssel einen Entschließungsantrag. Die Strafmaßnahmen sollen demnach gegen Verantwortliche der Wahlfälschung und der Unterdrückung friedlicher Proteste richten. Die EU bereitet derzeit Sanktionen vor. Unklar war aber, ob auch Lukaschenko auf dieser Liste stehen wird. Die EU-Parlamentarier erkannten zugleich indirekt die Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja als vorübergehende Repräsentantin von Belarus an.

Die 38-Jährige war bei der Wahl am 9. August gegen Lukaschenko angetreten. Die Opposition hält sie für die wahre Siegerin. Doch der Präsident ließ sich 80,1 Prozent der Stimmen zusprechen und will im Herbst seine mittlerweile sechste Amtszeit antreten. Tichanowskaja war aus Belarus geflohen und hält sich nun im EU-Land Litauen auf.

Sie hatte den Koordinierungsrat der Zivilgesellschaft für einen friedlichen Machtwechsel initiiert. Fast alle führenden Mitglieder sind entweder in Haft oder im Ausland, weil Lukaschenko gegen das Gremium massiv vorgeht. Die EU-Parlamentarier beschlossen nun, den Koordinierungsrat als vorübergehende Vertretung des Volkes von Belarus anzusehen.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte erst am Dienstag gesagt, Lukaschenko werde nicht als legitimer Präsident der früheren Sowjetrepublik anerkannt. Auch das EU-Parlament äußerte sich entsprechend in der Entschließung. Die EU-Staaten hatte bereits das Wahlergebnis nicht anerkannt. Dazu sagte Lukaschenko am Abend der Staatsagentur Belta zufolge, die Wahl sei gemäß dem Recht in Belarus abgehalten worden. »Wir brauchen keine Anerkennung.«

Borrels Sprecher Peter Stano sagte am Donnerstag der dpa, dass Tichanowskaja am Montag für ein Treffen mit den EU-Außenministern nach Brüssel kommen werde.

Knapp sechs Wochen nach der Präsidentenwahl geht Lukaschenkos Apparat immer brutaler gegen Andersdenkende vor. Maskierte Uniformierte, die keine Erkennungszeichen tragen, nehmen täglich Bürger fest. Dutzende Anwälte veröffentlichten einen Videoclip, in dem sie die totale Willkür und das »kriminelle« Handeln der Behörden kritisierten.

Wegen der Gewalt an Demonstranten erstellt die Opposition nun eine »schwarze Liste« mit den Gehilfen des 66-Jährigen. Die Namen jener, die an Folter, illegalen Festnahmen und am Missbrauch von Gefangenen beteiligt seien, sollten auf eine Sanktionsliste, teilte Tichanowskaja in ihrem Exil in der EU mit.

Lukaschenko, der von seinen Kritikern auch als »letzter Diktator Europas« bezeichnet wird, sucht in der schwersten Krise seines Landes Rückendeckung im Nachbarland Russland. Kremlchef Wladimir Putin hatte ihm Truppen für den Ernstfall und einen Milliardenkredit versprochen.

Um die angeschlagene Wirtschaft zu stabilisieren, brachte Polen einen europäischen Marshall-Plan für Belarus ins Gespräch. Er sehe die Einrichtung eines Stabilisierungsfonds vor, der mindestens eine Milliarde Euro umfassen sollte, sagte Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki bei einem Besuch in Litauen. Agenturen/nd