Alle Segel gehisst, zieht die »Greif« unter blauem Himmel durch die Ostsee, in der Sonne blinkt die polierte Schiffsglocke, der Kompass weist die Richtung. Das ist zurzeit nur im Videoclip auf der Internetpräsenz des Fördervereins mitzuerleben, der den Rahsegler hegt und pflegt. Denn an ihm hat der Zahn der Zeit heftig genagt. Ultraschallmessungen haben gezeigt, dass der Stahl der Außenhaut zu dünn ist, Ergebnis von Rostfraß. Unterkünfte und Kombüse müssen modernisiert werden, die Maschinenanlage leidet unter Altersschwäche. Das hat zur Folge, dass das 69 Jahre alte Schiff nicht mehr in See stechen kann. Ehe das wieder möglich sein wird, muss der 1951 in Dienst gestellte Zweimaster saniert werden. Die Ausgaben werden sich auf etwa 3,5 Millionen Euro summieren. Weder der Förderverein mit rund 550 Mitgliedern noch die Stadt Greifswald als Eigentümerin des Schiffs können das aufbringen. Aber sie dürfen nun auf Geldhilfe von außen hoffen. Hat doch der Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Bundestag, Eckhardt Rehberg (CDU), Fördergelder in Aussicht gestellt; 1,75 Millionen sind angedacht.
Abstimmen darüber wird das Gremium voraussichtlich Ende November. Rehberg denkt, dass das Votum positiv ausfällt. Denkbar ist, dass die andere Hälfte der Sanierungskosten von Stiftungen und vom Land Mecklenburg-Vorpommern kommt. Es hatte die »Greif« im August als »Denkmal von nationaler Bedeutung« eingestuft.
Die 41 Meter lange Schonerbrigg ist das einzige in der DDR gebaute Hochseesegelschiff. Es erinnert an deren Anfangsjahre sowie ihren ersten und einzigen Präsidenten Wilhelm Pieck. Ihm hatte das Land Mecklenburg 1951 den in der Rostocker Warnow-Werft gebauten Segler zum 75. Geburtstag verehrt. Nach ihm erhielt die Brigg ihren Namen, den sie 40 Jahre behielt. Pieck gab das Geschenk der FDJ mit dem Ziel, dass junge Menschen auf dem Schulschiff zu Fachleuten für die Handelsflotte der DDR ausgebildet werden. Organisatorisch kam die »Wilhelm Pieck« in die Obhut der Gesellschaft für Sport und Technik, zu deren Marineschule »August Lütgens« in Greifswald-Wieck. Reisen führten das Schiff unter anderem in die Sowjetunion, nach Albanien und Rumänien. Das Kinopublikum lernte die Brigg im 1981 gedrehten Defa-Film »Martin XIII.« kennen, einer in weiten Teilen auf dem Zweimaster gedrehten Geschichte mit Herbert Köfer, Agnes Kraus, Fred Delmare und weiteren bekannten Schauspielern.
Nach der »Wende« wollte die Treuhand die »Wilhelm Pieck« verkaufen. Das missfiel den Greifswaldern. Es wurde die Initiative »Dat Schipp bliwt hier!« gestartet. Für eine D-Mark erwarb die Stadt Anfang 1991 die Brigg, die Bürgerschaft beschloss: Der Segler heißt fortan »Greif«. Auch als Denkmal soll er wieder in See stechen, wünscht sich sein Förderverein.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1142421.greif-sticht-nicht-mehr-in-see.html