nd-aktuell.de / 30.09.2020 / Berlin / Seite 11

Rassisten raus aus den Straßen

Wissmannstraße in Neukölln soll nicht mehr den Namen eines Kolonialisten tragen

Yannic Walther

Die Jury zur Umbenennung der Neuköllner Wissmannstraße hat drei Namensvorschläge vorgelegt. In Zukunft soll die Straße nicht mehr den Namen des Kolonialbeamten Hermann von Wissmann tragen. »Wichtig ist, dass die Geschichte nicht getilgt, sondern sichtbar gemacht wird«, sagte Bildungsstadträtin Karin Korte (SPD) bei der Vorstellung der Auswahl am Montagabend.

Die Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hatte im Sommer 2019 beschlossen, dass ein neuer Name für die Wissmannstraße gefunden werden soll. Gesucht wurde eine Frau, die in Neukölln lebte oder die einen inhaltlichen Bezug zum Thema Antikolonialismus hat. Die Favoritin der siebenköpfigen Jury, bestehend aus zwei postkolonialen Aktivisten, drei Bewohnern der Wissmannstraße sowie zwei Experten für die Geschichte Neuköllns, ist Nduna Mkomanile.

Die Herrscherin des Volkes der Wangoni spielte während der deutschen Kolonialbesatzung im heutigen Tansania eine herausragende Rolle im antikolonialen Kampf, weshalb sie 1906 hingerichtet wurde. Herrmann von Wissmann, der bisherige Namensgeber der Straße, war maßgeblich beteiligt an der Kolonialisation von Deutsch-Ostafrika, das neben Tansania die heutigen Staatsgebiete von Burundi und Ruanda umfasste. Als Befehlshaber der ersten deutschen Kolonialtruppe schlug er 1890 Widerständler brutal nieder und wurde später selbst Gouverneur der größten deutschen Kolonie.

Mit der Umbenennung in Mkomanile-Straße bliebe der Bezug zum deutschen Kolonialismus im Straßenbild erhalten. »Statt eines Täters würde aber eine Befreiungskämpferin geehrt werden«, erklärte Jurymitglied Mnyaka Sururu Mboro. Auch würde dadurch, so der Gründer des Vereins Berlin Postkolonial, die Rolle von Frauen im antikolonialen Widerstand sichtbar. Neben Mkomanile sind noch Lucy Lameck, einst die erste Frau in der tansanischen Regierung, sowie die afrodeutsche Liedermacherin und Friedensaktivistin Fasia Jansen in der Endauswahl.

Die Jury hat die drei Namen aus insgesamt 429 von Neuköllnern eingereichten Vorschlägen ausgewählt. Die meisten Stimmen gingen dabei für Mkomanile und Lameck ein. Über die Umbenennung entscheiden muss letztendlich die BVV. »Wenn alles klappt, ist die Namensfindung bis Jahresende abgeschlossen«, zeigte sich Korte optimistisch.

Mit einer Namensänderung wäre dann schon im nächsten Frühjahr zu rechnen. Der bürokratische Aufwand für die Anwohner soll so gering wie möglich gehalten werden, etwa indem es freie Termine für die Adressänderung beim Bezirksamt geben wird. Auch für eine gebührenfreie Änderung im Fahrzeugschein will sich Stadträtin Korte einsetzen.

Mit der Umbenennung würde man in Neukölln schaffen, was Aktivisten auch in anderen Stadtteilen einfordern. Zwar beschloss die BVV von Mitte im August, die dortige Mohrenstraße nach dem afrodeutschen Philosophen Anton Wilhelm Amo umzubenennen. Doch beispielsweise im afrikanischen Viertel im Wedding gibt es bisher keinen BVV-Beschluss, Alternativen zu den zahlreichen kolonialen Straßennamen zu finden.