nd-aktuell.de / 13.10.2020 / Politik / Seite 5

Engagement in luftiger Höhe

Baumbesetzer wollen in Flensburg ein Waldgebiet retten

Dieter Hanisch, Flensburg

Mit dieser Besetzung will eine Bürgerinitiative über den Weg einer Normenkontrollklage von betroffenen Anwohnern oder einem Umweltverband nun im letzten Moment noch den geplanten Bau eines Hotels und Parkhauses verhindern.

Ole, Sarah und Meli (alle Namen geändert) sitzen zusammen auf einer selbst gebauten Plattform und wärmen sich am Kaffee. Seit dem 1. Oktober gehören sie zu den Baumbesetzern im kleinen Bahnhofswald, die in luftiger Höhe ihr Engagement durch den Bau von Baumhäusern zeigen und sich dabei der Unterstützung durch Umweltverbände wie BUND oder Greenpeace, aber auch der Schülerschaft von Fridays for Future sicher sind. Die Polizei patrouilliert zwar an dem Straßenabschnitt am Bahnhof, hält sich aber sonst zurück. Falschmeldungen einer bevorstehenden Räumung hat sie gleich in den ersten Tagen nach der Besetzungsaktion dementiert. Der Investor Jara Immobilien aus Flensburg hat für das ihm gehörende Areal zwar einen Bauantrag gestellt, ihm liegt aber noch keine Baugenehmigung vor. Eine Räumung vor dem Hintergrund großer Sympathien aus der Bevölkerung für die Aktivisten wäre derzeit wohl kaum vermittelbar.

Bedroht sind auf mehreren tausend Quadratmetern zum Teil 150 Jahre alte Bäume und dazu ein Stück ökologisches Biotop im Stadtbild inklusive Vogelschutz- und Fledermaushabitat. Die Besetzer sehen keinerlei Notwendigkeit für einen Hotelneubau, dessen Pläne in das Jahr 2012 zurückreichen und die an eine Studie zur damaligen knappen Hotelkapazität der Stadt anknüpfen. Der Investor Jara Immobilien argumentiert mit ungefähr 100 Arbeitsplätzen und der angeblichen Aufhübschung der Bahnhofsumgebung. Er ist nach eigener Beteuerung bereits eine Vereinbarung mit der chinesischen Huazhu-Hotelgruppe eingegangen.

Die endgültige politische Entscheidung für die Abholzung des kleinen Bahnhofswaldes und eine damit verbundene Entwidmung einer angrenzenden Unter- und Totenholzfläche fiel mehrheitlich mit einem Ratsentscheid am 25. Juni. CDU, FDP, SPD und ein Teil der Grünen-Fraktion stimmten dafür. Zu den Gegnern gehören der Südschleswigsche Wählerverband, die Wählervereinigungen »Wir in Flensburg« und »Flensburg wählen« sowie die Linke.

Politisch wird in der Öffentlichkeit mit Ausgleichsneupflanzungen in vierfacher Dimension argumentiert, von denen aber niemand genau sagen kann, wo genau außerhalb der Stadt diese geleistet werden sollen. Denn im Stadtgebiet existiert laut »Bürgerinitiative Bahnhofsviertel Flensburg« überhaupt keine Fläche dafür. Für die Initiative ist es nach eigener Aussage auch sehr befremdlich, dass die Flensburger vor Ort überhaupt nicht adäquat an dem Stadtentwicklungsprozess beteiligt wurden und dass die SPD im Laufe der Planungsphase einmal komplett ihre Meinung geändert hat.

Der Investor versucht unterdessen über einen Stadtpastor, mit den Aktivisten ins Gespräch zu kommen. Zur Finanzierung des beabsichtigten Normenkontrollverfahrens ruft die Bürgerinitiative zu Spenden auf. Für Donnerstag hat sich der energiepolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Lorenz Gösta Beutin, bei den Baumbesetzern zum Besuch angekündigt. Dann wollen auch Ole, Sarah und Meli mit dem Abgeordneten diskutieren.