nd-aktuell.de / 19.10.2020 / Politik / Seite 6

Tschechien restriktiv, Slowakei testet durch

Neue Maßnahmen sollen Corona-Pandemie stärker eindämmen

Jindra Kolar, Prag

Tschechiens Premierminister Andrej Babis hat der Bevölkerung einen möglichen neuen Lockdown wegen der Covid-19-Pandemie angekündigt. Die täglichen Infektionszahlen im Land steigen stark an, die Infektionsrate hat den höchsten Wert unter den EU-Mitgliedsstaaten erreicht. Schon jetzt ist eine Ausgangssperre von 20 Uhr abends bis 6 Uhr morgens verhängt worden. Die Regierung erwägt weitere Maßnahmen, um das Coronavirus einzudämmen. Der Premier der benachbarten Slowakei, Igor Matovic, kündigte an, die Gesamtbevölkerung seines Landes testen zu wollen.

Bereits in seiner freitäglichen Fernsehansprache hatte der tschechische Präsident Milo Zeman die Bevölkerung dringend aufgefordert, Mund-Nasen-Schmutzmasken zu tragen. »Bis wir einen Impfstoff haben, ist dieses kleine Stück Stoff die einzige Waffe, die wir gegen die Covid-Pandemie haben«, so Zeman in der Ansprache, die von mehreren Sendern übertragen wurde. Der Präsident dankte allen Mitarbeitern des Gesundheitswesens für ihre aufopferungsvolle Tätigkeit in diesen Krisenzeiten. An die Mitbürger gewandt, appellierte Zeman, vernünftig zu handeln und weder Verschwörungstheoretikern noch Corona-Leugnern zu folgen, denn »diese Leute sind nicht fachkundig«. Der Präsident unterstütze die Maßnahmen der Regierung, auch wenn er sich wünschte, sie würden manchmal besser kommuniziert.

Ein einhelliges Handeln ist auch vonnöten, denn die Infektionszahlen in der nur 10,6 Millionen Einwohner zählenden Republik steigen dramatisch. In den vergangenen Tagen wurden von den Gesundheitsbehörden besorgniserregende Zahlen von Neuinfektionen mit dem Coronavirus gemeldet. 11 105 Menschen hatten sich allein am vergangenen Freitag infiziert. Am Wochenende wurden tägliche Infektionsraten um die 9 000 gemeldet. Dabei muss berücksichtigt werden, dass nicht alle Ämter an Sonnabenden und Sonntagen Zahlen an die Zentralstatistik melden. Insgesamt sind derzeit 168 872 Menschen erkrankt, 1 352 Patienten sind seit Beginn der Pandemie an den Folgen von Covid-19 verstorben.

Die tschechische Regierung unter Andrej Babis verhängte erneut strenge Maßnahmen: Bars, Clubs und Restaurants bleiben bis auf Weiteres geschlossen. Mehr als sechs Menschen dürfen sich nicht versammeln. Auch im öffentlichen Raum herrscht Maskenpflicht. Präsident Zeman plädierte dafür, Verweigerung mit drastischen Geldstrafen zu ahnden.

Am Sonntag versammelten sich auf dem Prager Altstädter Ring Fußball- und Eishockeyfans zu einer Protestkundgebung gegen die einschneidenden Maßnahmen der Regierung. Wie Innenminister Jan Hamacek (CSSD), der die Aktion aus dem Stab der Prager Polizei verfolgte, erklärte, hätten sich »einige Tausend Hooligans« in der Prager Innenstadt versammelt. Die meisten von ihnen trugen keine Masken. Die Polizei wurde um mehrere Hundertschaften verstärkt und griff hart durch. Bei den Protestierenden - die zu großem Teil auch dem rechten Spektrum angehörten - wurden Schuß- und Schlagwaffen sowie Pyrotechnik gefunden. Die Proteste richteten sich vor allem auch gegen Gesundheitsminister Roman Prymula, der die strengen Corona-Auflagen initiiert hatte. Rufe wie »Prymula ins Gas« wurden auf dem Altstädter Ring laut. Die Polizei nahm mehrere Dutzend Personen fest.

Auch in der benachbarten Slowakischen Republik steigen die Infektionszahlen wieder deutlich an. Premierminister Igor Matovic kündigte deshalb an, in den kommenden zwei Wochen jeden Bürger des Landes, einschließlich der Kinder, testen zu lassen. Man habe für diese Massenaktion, die kein Beispiel in der Geschichte des 5,5 Millionen Einwohner zählenden Landes kennt, 13 Millionen Testkits geordert, hieß es aus dem Büro des Ministerpräsidenten. In der ersten Oktoberhälfte haben sich etwa 16 000 Menschen mit dem Coronavirus neu angesteckt. Bislang verzeichnete die kleine Donaurepublik nur 88 Todesfälle. Die Regierung betont, an den strikten Hygienemaßnahmen festhalten zu wollen, um eine Ausbreitung der Pandemie zu verhindern.