nd-aktuell.de / 20.10.2020 / Wissen / Seite 8

Aufklärerin

Die Virologin Sandra Ciesek ist vieles, aber keine »Quotenfrau«

Robert D. Meyer

Medien neigen dazu, Krisen zu personalisieren. Corona ist da keine Ausnahme. Forscher werden in der Berichterstattung nicht nach ihren Leistungen, sondern anhand ihnen zugeschriebener Merkmale beurteilt. Fertig ist der Kampf der Virologen: Christian Drosten? Der Zurückhaltende. Hendrik Streeck? Der Eitle. Alexander Kekulé? Ein Besserwisser. Und Frauen? Die sind halt für die Quote da - behauptet zumindest der »Spiegel« in einem Interview mit der Virologin Sandra Ciesek.

Zwei Journalistinnen haben mit der Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt ein Gespräch geführt. Gleich zu Beginn geht es darum, dass die 42-Jährige seit September im Wechsel mit Drosten im millionenfach gehörten NDR-Podcast »Coronavirus-Update« die medizinischen Aspekte der Krise einordnet. Dem »Spiegel« fällt dazu nichts Klügeres ein, als Ciesek eine »Quotenfrau« zu nennen, deren erste Podcastfolgen sich »nach Volkshochschule« anhörten - sowie die Frage, ob sie es nicht spannender machen wolle. Abgesehen davon, dass die NDR-Reihe genau den Zweck erfüllen soll, interessierten Laien das hochkomplexe Thema Virologie näherzubringen, ist dieses Interview ein Beispiel dafür, dass Frauen in Spitzenfunktionen oft Fragen gestellt werden, die ein Mann nie beantworten müsste. Dabei wäre Sexismus in der Forschung durchaus ein wichtiges Thema. Allein die Fragen selbst sollten dann nicht sexistisch formuliert sein.

Cieseks Karriere ist beachtlich. Mit 38 Jahren hatte sie ihre erste Professur an der Universität Duisburg-Essen inne. Sie ist Expertin für Hepatitis C und forscht aktuell mit ihrem Team an Medikamenten gegen Covid-19. Im Frühjahr gelang ihr der Nachweis, dass auch Infizierte, die keine Symptome zeigen, potenzielle Überträger sein können, was die Nachverfolgung von Infektionsketten erschwert. Solche Zusammenhänge erklärt sie dann im Corona-Podcast. Wissen, das an keiner Volkshochschule vermittelt wird.