nd-aktuell.de / 30.10.2020 / nd-Commune / Seite 44

Was hat der Herbst zu bieten?

Der Sommer geht, die Bücher bleiben. Aus Eis wird Kürbis, aus Freibad Wolldecke und aus Büchern werden andere Bücher ...

Jana Heyden

..., gerade wenn wir dieses Jahr mehr zu Hause sind als wahrscheinlich die Jahre davor. Zu Hause kann es auch genug Beschäftigung geben. Eine der beliebtesten ist Lesen. Bücher sind auch in den schlechten Zeiten für uns da, und es gibt immer wieder neue. Was ist diesen Herbst neu herausgekommen? Von den vielen neu erschienenen Büchern haben wir einige für Sie herausgesucht.

Ein heiterer Gedichtband gibt Kunde vom Herbst des Lebens: »Die schönste Jahreszeit ist der Herbst. Über das Älterwerden« widmet sich der Schönheit dieser Zeit ebenso wie den Tücken und Kuriositäten des Alterns. Er vereint klassische und aktuelle (Alters-)Weisheiten in poetischer Form, erzählt von alltäglichen Verrücktheiten und stellt die eine oder andere kauzige Persönlichkeit vor. Passend als Geschenk für die Eltern, Großeltern und andere heitere Ältere - oder zum Selberschmunzeln: Dieses Büchlein ist ideal für alle, die wissen, dass auch der Humor mit dem Alter nur besser wird.

Wörter werden nicht einzeln gebraucht, sondern in mehr oder weniger festen Verbindungen mit anderen Ausdrücken: wilde Jahre, bewaffnete Männer, junge Frauen, schlechtes Gewissen. Diese Wortverbindungen sind sofort erkennbar und etabliert. Sie spiegeln gesellschaftlich-kulturelle Verhältnisse wider und ändern sich daher mit dem gesellschaftlich-kulturellen Wandel. Solche Verbindungen von 1950 bis in die aktuelle Zeit hat die Duden-Redaktion in dem im Oktober erschienenen Band »Wilde Jahre, kühne Träume. Sprache im Wandel der Zeit« zusammengestellt. Warum »Männer« meistens als »bewaffnet« beschrieben werden, »Frauen« als »jung« und das »Gewissen« immer als »schlecht«, wird in zwölf thematischen Kapiteln unterhaltsam beleuchtet.

Im September kam »Tamtam und Tabu. Die Einheit: Drei Jahrzehnte ohne Bewährung« von Daniela Dahn und Rainer Mausfeld heraus. Drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall ist die Kluft zwischen West- und Ostdeutschland noch immer spürbar. Woran liegt das? Dahn und Mausfeld dechiffrieren die deutsche Wiedervereinigung als kapitalistisches Übernahmeprojekt und fühlen den Motivationen der führenden Akteure auf den Zahn, um herauszufinden, was damals wirklich bezweckt wurde. Ein Buch, das die Ereignisse detailliert beschreibt und sich dabei so spannend liest wie ein Thriller.

Die Treuhandanstalt war eine der umstrittensten Organisationen in der deutschen Geschichte. Jenseits zeitgenössischer Bewertungen als alternativloser »Erfolg« oder neoliberale »Abwicklung« wirft Marcus Böick in seinem im September erschienenen Buch »Die Treuhand. Idee - Praxis - Erfahrung 1990- 1994« erstmals einen zeithistorischen Blick auf den widersprüchlichen Auftrag des Wirtschaftsumbaus und rückt dessen Personal in den Fokus. An der Schnittstelle von Wirtschafts- und Kulturgeschichte zeichnet er mit präzisem Blick die zugrunde liegenden Ideen, den dynamischen Organisationsalltag und die facettenreichen Erfahrungen der Mitarbeiter nach, die die Transformation so maßgeblich wie unvorbereitet mitgestaltet haben.

Wirtschaftswunder, Mauerbau, die 68er-Bewegung - und eine vielschichtige junge Frau, die aus dem Schweigen der Elterngeneration heraustritt. Mitten im Wirtschaftswunder sucht sie nach den Teilen, die sich zu einer Identität zusammensetzen lassen und stößt auf eine Leere aus Schweigen und Vergessen. Vor dem Hintergrund umwälzender historischer Ereignisse erzählt Christian Berkel in »Ada«, erschienen im Oktober, von der Schuld und der Liebe, von der Sprachlosigkeit und der Sehnsucht, vom Suchen und Ankommen - und beweist sich einmal mehr als mitreißender Erzähler.

Donald Trump hat die USA in eine tiefe Krise geführt. Die Corona-Pandemie, deren Gefahr er bewusst herunterspielte, legt offen, welche Wunden seine Präsidentschaft gerissen hat. Nun stehen Gesundheitssystem und Wirtschaft am Rande des Zusammenbruchs. Wie reagiert der US-Präsident auf die Krise? Die Journalistenlegende Bob Woodward hat ihn ins Visier genommen, in den vergangenen Monaten 18 Interviews mit dem Präsidenten geführt, mit Mitarbeitern und Opponenten gesprochen, Mails, Tagebücher und vertrauliche Briefe ausgewertet, um das Porträt eines Mannes zu zeichnen, der zwischen Verdrängung, Angriff und Momenten des Zweifels schwankt. Eine bahnbrechende, scharfsichtige, intime Reportage: das bleibende Buch »Wut« über Trumps Präsidentschaft.