Krude Weltverschwörer

Die gefährliche QAnon-Bewegung breitet sich auch in Brandenburg aus

  • Mischa Pfisterer
  • Lesedauer: 4 Min.

Aus einer Null wird »Q«, Verkehrsschilder werden mit einem schwarzen Balken versehen. Diese Schmierereien häufen sich seit August 2020 in Brandenburg. Q - das ist das Erkennungszeichnen der QAnon-Anhänger. Und Schilder dieser Art wurden in den letzten Wochen in Velten, Hennigsdorf und Königs Wusterhausen entdeckt. Graffiti sind in Brandenburg/Havel aufgetaucht, ein mit QAnon in Zusammenhang stehender Schriftzug im Fenster einer Ergotherapiepraxis in Templin.

»Auch vor Brandenburg macht der Mythos nicht Halt«, sagt die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (Linke) zu »nd«. Sie hat dazu Mitte Oktober im Parlament eine Anfrage an das Innenministerium gestellt. »Bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen tauchten in den vergangenen Monaten immer wieder Personen mit Symbolen auf, die auf diesen Verschwörungsmythos hinweisen«, erklärt Johlige. So geben sich viele Demonstranten als Q-Anhänger zu erkennen, indem sie den Buchstaben auf Schildern, auf T-Shirts oder Ansteckern tragen.

Die Verschwörungsideologie und Bewegung QAnon hat in den USA ihren Ursprung. Ihre Anhänger glauben an eine satanische Elite, die den sogenannten Deep State, einen geheimen Staat im Staat, anführt. Dieser soll sich unter anderem in unterirdischen Verliesen an Kindern vergreifen und versuchen, die Weltherrschaft an sich zu reißen. »Dieser Verschwörungsmythos hat stark rassistische und antisemitische Züge und ist grundsätzlich anschlussfähig an rechtsextreme Strukturen überall auf der Welt, eben auch in Brandenburg«, betont Andrea Johlige.

In Brandenburg gilt der Vegan-Koch und Verschwörungsideologe Attila Hildmann ebenso als QAnon-Anhänger wie ein bekannter Coronaleugner aus Oranienburg, der regelmäßig auf der Internetplattform Youtube in Erscheinung tritt, oder das in Werder (Havel) ansässige rechtsextreme Magazin »Compact«. Das Magazin wird als sogenannter Verdachtsfall vom Brandenburger Verfassungsschutz beobachtet.

»Ziel dieser Bewegung ist es, den demokratischen bundesdeutschen Verfassungsstaat zu stürzen«, heißt es vom Brandenburger Innenministerium. Sogar Gewalttaten hält man dort für möglich. »Wie bei den Taten von Hanau oder Halle ist es möglich, dass sich einzelne radikalisierte Täter bei ihren Taten dann auf solche und ähnlich gelagerte Motive berufen, um ihre Taten zu begründen und in einen größeren Zusammenhang zu stellen«, erläutert das Ministerium. Wie viele Personen in Brandenburg zu den Anhängerinnen und Anhängern des QAnon-Verschwörungsmythos gezählt werden, darüber lägen allerdings keine Erkenntnisse vor.

»Lange Zeit wurden diese Milieus unterschätzt und belächelt«, sagt Dorina Feldmann von der Fachstelle Antisemitismus des Landes Brandenburg am Potsdamer Moses-Mendelsssohn-Zentrum zu »nd«. Wenn man sich die Radikalisierung der Anhänger von Hildmann anschaue, »der in seinem Telegram-Kanal ganz offen antisemitische Verschwörungsmythen verbreitet und seine Anhänger gegen Politiker und Wissenschaftler hetzt, verwundert es doch, wie schwerfällig Ermittlungen in Bezug auf Volksverhetzungen oder Bedrohungen laufen«, sagt Feldmann.

Auch die Anschläge auf das Pergamonmuseum und das Robert-Koch-Institut in Berlin zeigen, dass Anhänger des Verschwörungsglaubens vor Gewalt nicht zurückschrecken. Ins Bild passt hier zudem, dass QAnon-Anhänger auch bei dem versuchten »Sturm auf den Reichstag« eine entscheidende Rolle spielten, wobei auch ein Ex-Mitglied der AfD-Jugend aus Rathenow beteiligt war. Ende August waren Gegner der Corona-Maßnahmen am Rande einer Demonstration die Treppen zum Reichstagsgebäude hinaufgestürmt, viele mit Fahnen in den Farben des Kaiserreichs.

Auch in Brandenburg beobachtet die Fachstelle im Zusammenhang mit dem Auftreten der QAnon-Anhänger einen Anstieg antisemitischer Vorfälle bei Demonstrationen gegen die Corona-Eindämmungsmaßnahmen. »Dabei dokumentieren wir Codes und Chiffren, die Jüdinnen und Juden eine ›geheime Macht‹ zuschreiben, ganz konkret werden in der Pandemie jüdische Personen wie George Soros oder die Familie Rothschild in Verbindung gebracht«, berichtet Feldmann. Hier zeige sich klassischerweise das Motiv der sogenannten jüdischen Weltverschwörung.

Von Mitte April bis Ende Juli wurden laut der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Brandenburg knapp 250 angemeldete und unangemeldete Versammlungen und Veranstaltungen aus rechtsextremen und verschwörungsideologischen Milieus bekannt, die einen Coronabezug aufwiesen. Die meisten Veranstaltungen fanden in Potsdam, Cottbus und Luckenwalde statt. Die Corona-Pandemie ist dabei zu einem Beschleuniger für Verschwörungsglauben geworden. Verschwörungsglaube sei aber nicht nur eine Gefährdung für die Demokratie, sondern könne auch ein Problem werden im privaten Nahraum, sagt Dorina Feldmann. »Wenn ein Familienmitglied beispielsweise eine wichtige Behandlung verweigert, weil es an heilende Steine glaubt, statt an Medizin, sind Menschenleben gefährdet.«

Politikerin Johlige wünscht sich »eine Kultur des Hinschauens«. Für sie ist klar: »Es geht um Aufklärung und wir sollten über Aussteigerprogramme nachdenken«, die ähnlich wie Sektenberatung Hilfestellung für Betroffene und ihre Angehörige bieten können.

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