Mehr Mitgefühl für Tiere

Zwei Drittel der Franzosen fordern in Umfrage besseren Tierschutz

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

Enten inmitten ihrer Extremente und umgeben von toten Tieren - das letzte Video des Vereins L214, entstanden auf einer Farm in Südfrankreich, auf der Enten für Frankreichs traditionelle Stopfleber gemästet werden, hat für Aufsehen gesorgt. Dutzende solcher Videos hat der Verein heimlich in Intensivzuchtbetrieben und Schlachthöfen gedreht, um nachzuweisen, wie oft die elementarsten Hygiene- und Tierschutzvorschriften verletzt werden. Auch diesmal wurden die Behörden erst nach der Enthüllung aktiv.

Aktionen von Tierschützern stoßen in Frankreich auf wachsendes Interesse. Davon zeugen auch die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse einer Umfrage, die von der Tierschutzstiftung der wegen ihrer rassistischen Ausfälle umstrittenen ehemaligen Schauspielerin Brigitte Bardot in Auftrage gegeben wurde. Wichtigste Aussage der Umfrage: Zwei Drittel der Franzosen treten für eine konsequentere Durchsetzung der Tierschutzvorschriften ein. Das betrifft sowohl die Aufzucht von Schlachtvieh und Geflügel als auch Jagd und Fischfang sowie Zirkusvorführungen mit Tieren.

In dieselbe Richtung arbeitet ein in diesem Sommer gestarteter Aufruf von 200 Persönlichkeiten, die Unterschriften sammeln wollen, um ein Referendum für besseren Tierschutz zu erzwingen. An den Forderungen orientierten sich auch die Fragen der Umfrage. Danach plädieren 91 Prozent der Befragten dafür, dass Tiere während ihrer Aufzucht nicht ständig in Käfigen oder geschlossenen Räumen eingesperrt werden, sondern Auslauf an frischer Luft haben sollen. Für 86 Prozent ist es unerlässlich, dass Tiere vor dem Schlachten betäubt werden. Gegen die Hetzjagd zu Pferd und mit einer Hundemeute, die in Frankreich als einem der letzten Länder der Welt noch erlaubt ist, sprechen sich 82 Prozent der Befragten aus. Den Einsatz von Tieren für Versuche in der Pharma- und Kosmetikindustrie lehnen drei von vier Befragten ab, 77 Prozent befürworten ein Verbot für die Zucht von Tieren wegen ihres Fells und 73 Prozent sprechen sich gegen Zirkusvorführungen mit Tieren aus.

Bei all dem wollen aber die meisten Franzosen nicht ihre Lebensgewohnheiten ändern, sondern verantwortungsbewusster mit Tieren umgehen. Mindestens 97 Prozent essen Fleisch, während die Zahl der Vegetarier auf nur ein bis drei Prozent geschätzt wird, die der Veganer auf höchstens 200 000.

Paris und mehr als 50 weitere Städte haben bereits beschlossen, dass spätestens ab 2022 kein Zirkus mehr in ihren Mauern auftreten darf, der dressierte Tiere vorführt. Doch nun gibt es Streit darüber, ob dieses Verbot rechtens ist, weil solche Kompetenzen bei der Regierung liegen. Die aber hielt die Tierschutzregeln bisher für ausreichend.

Ein Regierungsdekret über das Verbot der Tierzucht in Delfinarien und anderen Meerestierparks, das 2017 von der damaligen Umweltministerin Ségolène Royal erlassen worden war und solchen Einrichtungen in absehbarer Zeit ein Ende machen sollte, wurde inzwischen auf dem Rechtsweg wieder außer Kraft gesetzt. Dennoch hat die französische Regierung Anfang Oktober ein erstes Programm zum Tierschutz vorgestellt. Demnach beabsichtigt sie Wildtiere in Wanderzirkussen schrittweise zu verbieten. Außerdem kündigte Umweltministerin Barbara Pompili das Ende der Nerzzucht für Pelze und das Ende von Delfinarien an. Neue dürften keine mehr gebaut werden, vorhandene dürfen keine Delfine oder Wale mehr einführen. Eine konkrete Gesetzesvorlage wurde wegen der Coronakrise jedoch auf Eis gelegt.

All das sind offensichtlich die Auswirkungen intensiver Lobbyarbeit von Jägern, Bauernverbänden, Lebensmittelindustrie, Pharmakonzernen und anderen Interessenvertretern. So werden selbst EU-Direktiven wie die Richtlinien über die Abschaffung der Käfighaltung von Geflügel nur in einer Minimalvariante umgesetzt. Zwar dürfen in Frankreich keine neuen Käfighaltungen mehr eingerichtet werden, aber die bestehenden können zeitlich unbegrenzt weiterarbeiten.

Als Reaktion auf die extrem ungleiche Verteilung der Kräfte wurde vor zwei Jahren die Lobbyagentur CAP (Convergence animaux politique - Politische Interessenübereinstimmung zugunsten der Tiere) gegründet, die gegenüber Behörden und Parlamentariern die Interessen und Forderungen von mehr als 800 Tier- und Umweltschutzvereinen vertritt. Sie hat seitdem schon Dutzende Kolloquien organisiert und mehrere hundert Einzelgespräche mit Abgeordneten, Regierungspolitikern und hohen Beamten geführt. »Die Rechtslage hat sich seitdem noch nicht spürbar verbessert«, räumt der Agenturgründer Melvin Josse ein, »aber wenn das jetzt vorgeschlagene Referendum durchgeführt werden kann, dürfte sich das deutlich ändern.«

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