nd-aktuell.de / 10.11.2020 / Politik

Forscher durch und durch

Ugur Sahin und Özlem Türeci sind die Köpfe der großen Impfstoff-Hoffnung Biontech

Markus Drescher

In großen Forscherpersönlichkeiten, ihrem Schaffen und Leben, finden Fernseh- und Filmemacher gerne ihren Stoff für Dokumentationen, Historienschinken, ganze Serien – sind ihre Errungenschaften für die Menschheit nur ausreichend bedeutend natürlich und auch das Drumherum erzählenswert. Das Ehepaar Ugur Sahin und Özlem Türeci, die Köpfe hinter dem Biotechnologie-Unternehmen Biontech, ist derzeit auf bestem Wege, beide Voraussetzungen zu erfüllen. Oder vielmehr die zweite, den geschichtsverändernden medizinischen Durchbruch – denn eine berichtenswerte Karriere haben beide schon jetzt vorzuweisen.

Überstrahlt werden würde das alles allerdings selbstredend, sollte der Impfstoff, den Biontech zusammen mit dem US-amerikanischen Pharmariesen Pfizer entwickelt, tatsächlich entscheidend dazu beitragen, das neuartige Coronavirus unter Kontrolle zu bekommen. Schließlich sehnt sich derzeit die Menschheit nach nichts so sehr wie nach einer Rückkehr in die alte Normalität.

In diesen Prä-Corona-Zeiten widmeten sich Sahin, Türeci und ihr im Jahr 2008 gegründetes Unternehmen hauptsächlich dem Kampf gegen eine andere medizinische Geißel: Krebs. Und gingen dabei neue Wege, setzten auf die Entwicklung von maßgeschneiderten Immuntherapien, von denen bisher allerdings noch keine die Marktreife erlangt hat. Doch konnte das Unternehmen mit seinen weltweit rund 1300 Mitarbeitern bei seiner Suche nach einem Corona-Impfstoff, die Biontech schon im Januar und damit zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Pandemie aufgenommen hatte, auf die Erkenntnisse seiner Krebsforschung aufbauen.

Seinen Sitz hat Biontech in Mainz, An der Goldgrube 12. Wie es in einem Beitrag bei t-online heißt: in der Nachbarschaft eines Fahrradgeschäfts, einer Postfiliale und eines Dönerimbisses. Ein durchaus passendes Bild auch für die beiden Mediziner Sahin und Türeci. Sie medizinische Geschäftsführerin, er Vorstandschef und dank seiner Unternehmensanteile und fantastischer Börsenkursentwicklungen mittlerweile Milliardär, werden die beiden doch eher als bodenständige und mit Haut und Haaren dem Patienten und der Forschung verschriebene Labor-Arbeitstiere denn als Sekt schlürfende Geschäftsleute beschrieben.

Türeci, in Deutschland geborene Tochter eines türkischen Arztes, studierte und promovierte in Homburg, wo sie auch ihren späteren Mann kennenlernte. Gegenüber dem Portal innovationsland-deutschland.de, einem Angebot des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, erklärte sie die große Bedeutung ihres Vaters für ihre Berufsauffassung: »Mein Vater war ein den Patienten sehr zugewandter Mediziner und bereits als Kind habe ich von ihm Anspruch und Haltung gegenüber meinem heutigen Beruf mitbekommen, nämlich dass die Fürsorge um den Patienten der Fokus ist. Alles andere, ob nun die Wahl des Studiums oder des Berufs, später auch die Entscheidungen rund um die Unternehmensgründung, folgten diesem Fokus«, so Türeci.

Sahin wurde in der Türkei geboren, kam als Vierjähriger mit seiner Mutter zum Vater nach Deutschland, der bei Ford in Köln arbeitete. Sahin studierte nach dem Abitur an der dortigen Universität Medizin und fühlte sich offensichtlich schon als Student sehr wohl in einem Labor: »Wir hatten am Vormittag bis 16 Uhr Vorlesung und während meine Mitstudenten dann nach Hause gefahren sind, bin ich ins Labor hochgegangen und habe dort gearbeitet. Meistens bis 21, 22 Uhr, manchmal bis morgens vier Uhr«, zitiert die Deutsche Welle Sahin. Und weiß noch von einer anderen Begebenheit zu berichten. So habe Sahin selbst an seinem Hochzeitstag im Labor gestanden und zwar sowohl vor dem Termin beim Standesamt als auch danach wieder.

1992 promovierte Sahin mit summa cum laude. Als Mediziner und Wissenschaftler war er an der Uniklinik Köln, amUniversitätsklinikum des Saarlandes, am Universitätsspital Zürich tätig und ist auch heute noch an der Universitätsklinik Mainz Professor für experimentelle Onkologie.