nd-aktuell.de / 21.11.2020 / Politik / Seite 2

Heiter bis ungemütlich

Sieben Tage, sieben Nächte

Regina Stötzel

Der Tag begann teils wolkig, ab Mittag setzte sich häufiger die Sonne durch. Für die Jahreszeit war es mit bis zu 13 Grad Celsius recht warm. Lediglich im Bezirk Mitte waren am Nachmittag vereinzelte lokale Regenschauer zu verzeichnen. Das war der Berliner Wetterbericht für Mittwoch, den 18. November.

Das Wasser, das an diesem Tag im Zentrum der Hauptstadt vom Himmel fiel, kam nicht aus Regenwolken, sondern aus einschlägigen Spezialfahrzeugen der Polizei. »Wir haben die Wasserwerfer über die Leute gerichtet. Wir wollten, dass es für die Leute ungemütlich wird, aber eben kein direkter Kontakt mit dem Wasser entsteht«, erklärte Polizeisprecherin Anja Dierschke der »Berliner Zeitung«. Nun kann man zwar letztlich auch dann von direktem Kontakt mit Wasser sprechen, wenn es sich auf Umwegen genähert hat. Aber gemeint war das natürlich anders: Beim Auflösen der Proteste gegen das Infektionsschutzgesetz wurden die Teilnehmenden nicht mit knallhartem Strahl von Straßen und Plätzen gefegt, wie es Linke eher kennen, sondern »im Sprühmodus« von oben benässt. Polizeipräsidentin Barbara Slowik nannte den Einsatz »rechtsstaatlich und verhältnismäßig«. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, Bundesinnenminister Horst Seehofer und Bundesjustizministerin Christine Lambrecht rechtfertigten das Vorgehen der Polizei.

Dass Wasserwerfer nicht ausschließlich dazu da sind, Menschen brachial aus dem Weg zu räumen, wissen Linke eigentlich nur wegen der trockenen Sommer 2018 und 2019, als die Fahrzeuge auch zum Löschen von Waldbränden oder zum Wässern von Grünanlagen genutzt wurden. Und nach so umfangreichen Rechtfertigungen eines Wasserwerfereinsatzes muss man suchen, seit vor zehn Jahren ein Stuttgart-21-Gegner bei der Räumung des Stuttgarter Schlossgartens fast vollständig erblindete, weil er von einem Wasserstrahl, der keinerlei Umweg nahm, getroffen wurde.

Man erinnere sich: Für den vergangenen Mittwoch hatten Rechtsextreme eine Art Staatsstreich angekündigt. Der blieb in weiter Ferne, das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist, dass Neonazis, »Reichsbürger«, Antisemiten, NPD- und AfD-Mitglieder sich mit Opfern von NS-Diktatur und Shoah gleichsetzen und trotzdem - oder deswegen? - auf die Unterstützung Tausender zählen können. Mehr als 2000 Beamte waren im Einsatz, um die Protestierenden von Regierungsgebäuden fernzuhalten. Einzelne schafften es mit Hilfe der AfD in den Bundestag. Bis zum Abend wurden 365 Menschen vorübergehend festgenommen, die sich nicht an elementare Regeln hielten, um andere zu schützen. Und das in einer Stadt, wo sich täglich weit über 1000 Menschen mit dem Coronavirus anstecken und die Intensivbetten knapp werden. Gemütlichkeit hat man dafür nicht verdient.