Keine Angst vor dem Zahnarzt-t-t

Über die göttliche Macht des Buchstaben »T«

  • Adrian Schulz
  • Lesedauer: 2 Min.

Eine tolle Entdeckung habe ich bei einem meiner Spaziergänge gemacht, die ich jetzt öfter unternehme, um »mal raus zu kommen«. Es sind eher Wattgänge, so als hätte ich fünfzig Zentimeter Neuschnee vor den Füßen und müsste mit einem Einrad da durchfahren. Was vielleicht daran liegt, dass ich, seitdem meine Nachbarin ihren Schuhschrank ins Treppenhaus gestellt hat, mich des Öfteren bei ihren Schuhen bediene, damit meine zur Abwechslung etwas länger halten. Ihre Füße sind nur leider etwas kleiner als meine.

Die Entdeckung also, die ich, fuß- und kopfdelirierend, in einer Nebenstraße ganz in der Nähe eben dieses Schuhschrankhauses gemacht habe, ist das Bürogebäude einer Firma namens Lesezirkel Tappert. Diese Firma ist mir natürlich schon seit Langem ein Begriff. Bei jedem Zahnarztbesuch strahlen »Bunte«, »Stern« und »Bäckerblume« mich Wartenden an, verlangen Inanspruchnahme ihrer unzerlesenen Ordentlichkeit - stets nur verdeckt vom blauen Tappert-Einband. »Hier hat jemand seine Verhältnisse im Griff«, spricht der rechtwinklig. »Hier spart jemand an der richtigen Stelle.« Wenn ich eine halbe Stunde später mit klaffenden Wunden im Zahnarztstuhl hänge, sage ich mir im Kopf zur Beruhigung oft: Lesezirkel Tappert, Lesezirkel Tappert, Lesezirkel Tappert...

Sollte es wirklich »Urworte« geben, gehört Tappert mit großer Gewissheit dazu. Gerahmt von zwei Sicherheit-t-t signalisierenden »T«, endet es, wie das Leben, da, wo es anfing. Tappert: ein Wort, das rückwärts wie vorwärts ähnlich lautet. Tappert: wie der Horst. Tappert: Die Rente ist sicher.

Meine Begeisterung für den Klang dieses Namens, der in Kombination mit dem okkulten Lesezirkel wie das Zauberwort für eine Million Packungen Zahnersatz wirkt oder für den Einlass in den Himmel, ist sogar noch größer als für die ähnlich hübschen, ebenfalls trochäischen Wortreihungen »Hinter Gittern, der Frauenknast« - einer Sendung, in der Katy Karrenbauer Mitgefangenen Küchenmesser an den Hals hält und die mir deshalb als Kind als das absolut Teuflische erschien - sowie extra-stark durch Nasshaftkraft: dem besten Werbespruch, der deutschen Textern jemals einfiel.

Diese Begeisterung steigerte sich schließlich auf das Höchste, als ich die Schrift über der Einfahrt zu Tappert las: Lesemappen - Bücher - Zeitschriften. Warum nur haben der selige Herr oder die selige Frau Tappert sich nicht dazu entschlossen, den Betrieb, in Vollendung aller Sprachen, Mappenzirkel Tappert zu nennen? Oder kurz: Mappentappert?

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