nd-aktuell.de / 26.11.2020 / Sport / Seite 16

Stürmerfreuden und ein schlechter Witz

Champions League: Dortmund steht vor dem Achtelfinaleinzug, Leipzig fühlt sich betrogen

Oliver Mucha und Jörg Soldwisch

Partylaune bei Borussia Dortmund, Katerstimmung bei RB Leipzig: Die Gefühlslage bei den Fußballbundesligisten nach einem wegweisenden Abend in der Champions League war höchst unterschiedlich. Während dem BVB nach der erneuten Erling-Haaland-Show beim 3:0 (2:0) gegen den FC Brügge nur noch ein Punkt zum Einzug ins Achtelfinale fehlt, waren die Leipziger nach dem unglücklichen 0:1 (0:1) bei Paris St. Germain durch einem umstrittenen Elfmetertreffer von Neymar frustriert. Und Ärger gab es trotz des Sieges auch für PSG-Trainer Thomas Tuchel.

Trauriges Niveau

»Der Elfmeter war ein Witz«, sagte Leipzigs Trainer Julian Nagelsmann nach dem Abpfiff: »Der Videoassistent hat sich wahrscheinlich ein anderes Spiel angeschaut. So etwas auf Champions-League-Niveau, das ist schon echt traurig.« Nagelsmanns Frust war verständlich, Leipzigs Chancen auf das Achtelfinale sind durch den verlorenen Direktvergleich mit den nun punktgleichen Parisern stark gesunken. Mit zwei Siegen bei Basaksehir Istanbul und gegen Manchester United könnte der Bundesligadritte zwar immer noch weiterkommen, doch Nagelsmann weiß: »Wir haben jetzt die schlechteren Karten.« Das lag am umstrittenen Elfmeter. Beim fraglichen Zweikampf im Strafraum von Marcel Sabitzer gegen Angel di Maria konnten auch die Fernsehbilder keine Berührung beweisen. Neymar nahm das Geschenk an und verwandelte den Elfmeter in der elften Minute zum frühen Siegtreffer für die Gastgeber.

»Das war eine klare Schwalbe, es gab null Kontakt«, wetterte Nagelsmann. Und was hat eigentlich der Videoassistent gemacht? »Dafür haben wir diese Instanz. Wenn wir sie nicht nutzen, dann können wir sie auch abschaffen. Dann lassen wir die Schiris eben wieder alleine«, meinte der RB-Coach. Danach fehlte den Leipzigern bei aller Dominanz die Durchschlagskraft. Paris igelte sich ein und ermauerte sich einen Sieg, der das Gruppenaus vorerst abwendete und Tuchel eigentlich aus der Schusslinie bringen sollte. Doch der sah sich am Dienstagabend erneut mit kritischen Fragen nach dem schwachen Spielniveau und dem Vertrauensverhältnis konfrontiert - und da platze ihm der Kragen. »Du kannst die Frage in der Umkleidekabine stellen, wenn du die Eier dafür hast«, herrschte der 47-Jährige einen Medienvertreter an: »Denn die Spieler sind tot! Sie haben alles gegeben!« Tuchel war es leid, wieder darauf hinzuweisen, dass viele Verletzte wie die deutschen Nationalspieler Julian Draxler und Thilo Kehrer gefehlt hätten und Rückkehrer wie Neymar und Kylian Mbappe noch weit von ihrer Topform entfernt seien.

Spaß und Freude

Das gilt nicht für Erling Haaland. Der in eine wärmende BVB-Decke gehüllte Rekordmann lachte und scherzte nach dem Abpfiff ausgelassen mit seinen Teamkollegen. Die eingebaute Torgarantie des Norwegers sorgte auch bei den Dortmunder Verantwortlichen für beste Laune. »Der Spaß und die Freude sind trotz der tristen Verhältnisse zu spüren«, sagte Lizenzspielerchef Sebastian Kehl nach dem Doppelpack des 20-Jährigen gegen den belgischen Meister. In schweren Coronazeiten ist beim BVB von einer Herbstdepression überhaupt nichts zu spüren - ganz im Gegenteil. In der Champions League würde dem Vizemeister schon ein Unentschieden im Heimspiel gegen Lazio Rom für das Achtelfinale erreichen, in der Bundesliga liegt der Tabellenzweite auf Tuchfühlung zum Spitzenreiter FC Bayern München.

Die irrwitzige Terminhatz in den kommenden Wochen sehen die leichtfüßig wirkenden Dortmunder nicht als Belastung, sondern als Ansporn. »Wir erzielen gute Ergebnisse und machen gute Spiele. Dann ist auch die Leichtigkeit da«, sagte Kehl und schob eine kleine Kampfansage hinterher: »Wir wollen einen richtigen Lauf aufnehmen bis Weihnachten. Wir können einiges erreichen.«

Besonders mit einem Juwel wie Haaland. In zwölf Spielen in der Königsklasse hat der Stoßstürmer bemerkenswerte 16 Tore erzielt. Diese historische Bestmarke schafften nicht einmal Lionel Messi und Cristiano Ronaldo. In seinen bislang 13 Pflichtspieleinsätzen in dieser Saison kommt Haaland schon auf 17 Treffer. »Für uns ist er Gold wert, weil er die Mannschaft mitreißen kann. Jede Minute zeigt er, dass er erfolgreich sein möchte«, lobte Sportdirektor Michael Zorc. SID/nd