Mit eisernen Grundsätzen

Die Miniserie »The Good Lord Bird« erzählt die Geschichte von John Brown, der Sklavenhalter massakriert

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 3 Min.

War der Abolitionist John Brown ein visionärer Antirassist, ein Terrorist oder einfach nur ein selbstgefälliger Egomane, der über Leichen ging? Zu dieser Frage existieren in den USA zahlreiche historische und politische Debatten. Der 1800 in Connecticut geborene und 1859 in Virginia hingerichtete Brown versuchte mit einem Dutzend Männer, das Waffenlager der US-Armee zu stürmen, um dann afroamerikanische Sklaven zu einem Aufstand zu bewegen, was aber gänzlich misslang. Niemand schloss sich seiner Revolte an. Dennoch wird Brown von vielen als Vorreiter des zwei Jahre nach seinem Tod beginnenden Bürgerkriegs und der damit einhergehenden Abschaffung der Sklaverei in den USA gesehen. Von Zeitgenossen wie Frederick Douglass, Waldo Emerson, Henry Thoreau und Victor Hugo geschätzt, gibt Brown für das reaktionäre Amerika natürlich nach wie vor ein Feindbild ab.

Eine faszinierende Annäherung an den streitbaren Mann, dessen abolitionistische Reden wie Predigten klangen und manchmal mit dem Colt in der Hand gehalten wurden, lieferte 2013 der afroamerikanische Schriftsteller James McBride mit seinem Roman »Das verrückte Tagebuch des Henry Shackleford«. Die mit dem National Book Award ausgezeichnete satirische Geschichte über den wild um sich schießenden und Sklavenhalter massakrierenden Brown, die aus der Sicht eines jungen Schwarzen erzählt wird, der Brown einige Monate begleitet, ist nun als siebenteilige Miniserie mit dem Originaltitel »The Good Lord Bird« verfilmt worden.

Onion lautet der Spitzname des schwarzen Teenagers in Frauenkleidern, der von John Brown (gespielt von Ethan Hawke) befreit wird, als der sich mit einem Sklavenhalter eine Schießerei liefert und dabei Onions Vater ums Leben kommt. Der von Brown aufgrund eines Missverständnisses als junge Frau wahrgenommene Onion/Henry, fortan Henrietta, wird von John Brown und seinen Söhnen mitgenommen. Eine freiwillige Entscheidung des Jungen in Frauenkleidern ist das nicht wirklich. Wo immer sie hinkommen und auf schwarze Menschen treffen, sieht jeder sofort, dass Onion ein Junge ist, nur John Brown und seine Söhne haben bis zum Ende der Geschichte keinen blassen Dunst davon. Onion ist immer mit dabei, während John Brown, seine Söhne, eine Handvoll Glücksritter und einige befreite Sklaven sich im sogenannten »Bleeding Kansas« – in dem schon die Konfliktlinien des bevorstehenden Bürgerkriegs sichtbar werden – Schlachten mit sklavenhalterfreundlichen Milizen liefern.

Nachdem Brown mehrere Siedler mit einem Beil massakriert, trifft er in New York auf den afroamerikanischen Intellektuellen Frederick Douglass und bricht schließlich nach Kanada auf, um Männer für seinen legendären Überfall auf das Waffenarsenal der US-Armee in Harpers Ferry zu rekrutieren. John Brown wird in James McBrides Roman und in der Serie, an der der Autor auch selbst mitgewirkt hat und die relativ nah an der literarischen Vorlage bleibt, als exzentrischer, manchmal sympathischer, aber auch versponnener Haudegen mit eisernen Grundsätzen dargestellt, der Gewalt als festen und nicht hinterfragbaren Bestandteil im Kampf gegen Sklaverei und Rassismus sah. Dieser von sich selbst absolut überzeugte und mit seinen Ansichten ebenso realistischer wie realitätsferner Geist, der den Bürgerkrieg vorwegnahm, sich aber in einen paramilitärischen Feldzug hineinträumte, der nicht einmal ansatzweise klappte, wird mit der Erzählerstimme von Onion wundervoll kontrastiert. Der wundert sich wie viele andere schwarze Menschen in der Geschichte immer wieder über die Impertinenz von Brown, der sich auf einem sehr schmalen Grat bewegt. Durch diesen gelungenen satirischen Kniff wird die Geschichte dieser umstrittenen historischen Persönlichkeit zu einem aberwitzigen Abenteuer, das streckenweise wie ein Comic wirkt, dann aber auch wieder ganz ernste Töne anschlägt und die Brutalität von Rassismus und Sklaverei verstörend in Szene setzt.

Wobei vielen Rassisten in diesem bildgewaltigen Opus aus dem 19. Jahrhundert kräftig eine vor den Latz geknallt wird, was trotz der tragischen Geschichte empowernd wirkt und zum Mitfiebern einlädt.

»The Good Lord Bird« auf Sky.

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