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PCR-Blues

Biolumne

  • Reinhard Renneberg, Merseburg
  • Lesedauer: 3 Min.

»Gelobt sei der Zweifel!
Ich rate euch, begrüßt mir
Heiter und mit Achtung den,
Der euer Wort wie einen schlechten Pfennig prüft!
Ich wollte, ihr wäret weise und gäbt
Euer Wort nicht allzu zuversichtlich.«

Das schrieb 1938 der Dichter und Dialektiker Bertolt Brecht. Derzeit zweifeln sehr viele Menschen, auch an der PCR, dem »Goldstandard« der Covid-19-Testung. Eine echte Herausforderung!

Das RT-PCR-Prinzip (PCR = polymerase chain reaction, Polymerase-Kettenreaktion): Man wandelt die Virus-RNA mit dem Enzym Reverse Transkriptase (RT) zunächst in DNA um. Dann wird ein für das Virus typischer DNA-Abschnitt mit sogenannten Primern markiert, das sind kurze DNA-Stücke. Danach mit hitzestabilen Polymerasen durch Erhitzen und Abkühlen erst verdoppelt, dann vervierfacht, verachtfacht usw. Die größere Menge ist dann leichter biochemisch nachweisbar. Für diese geniale Idee gab’s einen Nobelpreis.

Doch am 11. November 2020 hat ein Gericht in Portugal nicht nur eine Quarantäne aus juristischen Gründen aufgehoben, es befand den WHO-empfohlenen Corona-PCR-Test als »nicht sicher«. Wissenschaftler des Landes protestierten und der Oberste Justizrat Portugals erklärte, mit der Beurteilung wissenschaftlicher Verfahren hätten die Richter ihre Kompetenzen überschritten.

Kommen wir auf das Verfahren zurück. Je mehr Zyklen im Testlabor laufen, desto leichter wird auch eine kleine Zahl von Genschnipseln des Virus im Ausgangsmaterial gefunden. Ist in einer anfänglichen Probe aus einem Nasen-Rachen-Abstrich für den PCR-Test ein DNA-Molekül enthalten, so werden daraus nach 20 Zyklen 1 048 576 Kopien, nach 30 Zyklen 1 073 741 824 und nach 35 Zyklen 343 597 383 680 DNA-Kopien. PCR-Erfinder Kary Mullis sagte auf einem Kongress einmal locker, mit PCR könne man fast alles in fast jedem finden… Der Test könne nicht sagen, ob man krank ist. Untersuchungen des RKI in Berlin zeigen, dass sich kein vermehrungsfähiges Virus mehr findet, wenn 30 Zyklen zum Nachweis notwendig waren. Ein so positiv getesteter Mensch hatte also Kontakt zum Virus, ist aber zum Testzeitpunkt nicht infektiös gewesen. Als alleinige Diagnostik taugt der PCR-Test also nicht.

Die größte Fehlerquelle liegt aber bei der Probennahme: Wurde der Abstrich fachgerecht durchgeführt? Waren zum Abstrich-Zeitpunkt genügend Viren im Rachenraum vorhanden oder war die Infektion noch zu frisch? Entscheidend für die richtige Aussage der Laborbefunde ist - wie immer - deren Einordnung in die Krankengeschichte und klinische Daten!

Ist die PCR also zu ungenau, um daraus politische Maßnahmen abzuleiten? Die Pragmatiker sagen: Wenn weder Medikamente noch Impfstoffe verfügbar sind, müssen akute Infektionen schnell erkannt und Infektketten früh unterbrochen werden. In diesem Sinne ist es wohl vernünftiger, dass sich einige Personen fälschlich in Quarantäne begeben, als dass unentdeckte Infizierte andere Menschen - mit gesundheitlichen Risiken - anstecken.

Man kann aus den vorliegenden Messdaten gewiss unterschiedliche Maßnahmen zur Infektionskontrolle ableiten und Einschränkungen des öffentlichen Lebens kontrovers diskutieren. Aber die PCR zum Nachweis des SARS-CoV-2 hat eine Genauigkeit, die deutlich über den Kennzahlen (Sensitivität, Spezifität) vieler anderer Labortests liegt, auf die wir uns in der Diagnostik täglich verlassen.

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