nd-aktuell.de / 14.12.2020 / Politik / Seite 1

Kampfbereiter Osten

Erneut Proteste gegen Haribo-Werksschließung im sächsichen Wilkau-Haßlau

Wilkau-Haßlau. Wieder hat es im von Schließung bedrohten Haribo-Werk im sächsischen Wilkau-Haßlau einen Aktionstag gegeben.[1] Anlass war das 100-jährige Jubiläum sowohl der Haribo-Gründung als auch jenes des Werkes im Landkreis Zwickau.

Grund genug fürs Weiterkämpfen gibt es. Denn zwar steht seit Ende vergangener Woche die Einigung auf einen Sozialplan. Doch das Aus für den Betrieb ist nicht vom Tisch. Jetzt geht es mindestens darum, eine Firma zu finden, die ihn übernimmt - und die Kollegen weiter nach Branchentarif entlohnt.

Denn die mit dem Haribo-Managment in Grafschaft (Rheinland-Pfalz) vereinbarten Abfindungen für Mitarbeiter ersetzten eben keine sicheren Arbeitsplätze, sagt Karin Düntsch, die im Werk Wilkau-Haßlau tätig ist. Ihr und anderen Kollegen wurde von der Geschäftsführung angeboten, an einem anderen Standort von Haribo weiterzuarbeiten. Ein Hohn für die 55-Jährige, die ihre Familie in Sachsen hat. Denn die anderen Werke sind rund 500 Kilometer weit entfernt.

Am Freitag hatte Michael Molsberger, Geschäftsführer Produktion und Technik von Haribo Deutschland, mitgeteilt, man habe »wie versprochen ein sehr faires Paket für unsere Mitarbeitenden erarbeitet« und konnte »auf dieser Grundlage mit dem Betriebsrat eine Einigung erzielen«. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hatte am Donnerstag mitgeteilt, dass es in diesem Jahr keine Kündigungen geben soll. Auch für die ersten Monate des neuen Jahres gibt es demnach Beschäftigungsgarantien.

Molsberger hat »zeitnah« Gespräche mit der Lokal- und Landespolitik über eine »zukunftsfähige Nachfolgenutzung für unser Betriebsgelände« angekündigt. Für Haribo sei die Schließung mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit und künftige Ausrichtung des Unternehmens notwendig, erklärte der Manager. Ein neues Konzept sehe vor, die Produktion an weniger Standorten zu bündeln. In Wilkau-Haßlau wären »unverhältnismäßig hohe Investitionen nötig«, um die Produktionsabläufe zu modernisieren.

Generell müssen Unternehmen, die schlechte Löhne zahlen oder Betriebsschließungen ankündigen, längst auch in Ostdeutschland mit massivem Widerstand der Beschäftigten rechnen. Nachdem es hier nach 1990 sehr lange keine Streiks gegeben habe, sei inzwischen die Kampfbereitschaft hoch, berichtete Olaf Klenke vom NGG-Landesbezirk Ost jüngst auf einer Diskussionsveranstaltung der Linke-Arbeitsgemeinschaft Betrieb und Gewerkschaft[2]. Die Gewerkschaft habe die massive Unzufriedenheit der Beschäftigten aufgegriffen und den lokalen Tarifkommissionen mehr Verantwortung übertragen. nd

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1145722.haribo-ringen-um-mehr-in-der-lebensmittelbranche.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1145723.arbeitskaempfe-in-ostdeutschland-wir-mussten-uns-die-position-neu-erkaempfen.html