Spion gegen Spion

John le Carré ist gestorben

Es gibt diesen schönen Satz, dass an der Verschwörung nichts stimmt, außer der Verschwörung. Mit der Welt der Geheimdienste ist es ähnlich: Wer sie fürchtet, hat schon ein Problem. Meistens ist es nur ein psychologisches. In der Regel ist das Hauptproblem eines Geheimdienste ein anderer Geheimdienst. Beobachter, die beobachtet werden. So geht das ewig hin und her - wie in den Comics »Spion gegen Spion« von Antonio Prohías im »Mad«-Heft. Mit den stärker hochkulturell ausgerichteten Romanen über dieses Milieu ist John le Carré berühmt geworden, der nun im Alter von 89 Jahren in Truro, Cornwall, gestorben ist, wie sein Verlag Penguin Books am Sonntagabend mitteilte.

Le Carré hieß eigentlich David Cornwell und er war natürlich selber beim Geheimdienst - aber nur so lange, bis er von seinen Büchern über den Geheimdienst leben konnte. Das geschah nach der Veröffentlichung seines dritten Romans »Der Spion, der aus der Kälte kam« (1963). Ein West-Ost-West-Verwicklungsroman ohne Happy End. Eine Nebenfigur namens George Smiley baute Le Carré in späteren Romanen zu seinem alter ego und zur Hauptfigur aus, eine Art Spionage-Superhirn des britischen Auslandgeheimdienstes MI6, im privaten Leben eher ungeschickt und unglücklich. Das bekannteste Smiley-Buch ist »Dame, König, As, Spion« (1974), darin jagt Smiley einen sowjetischen Topmann, einen sogenannten Maulwurf in den eigenen Reihen. Es geht um intellektuelle Wertarbeit, eine Art Western der besseren Gesellschaft, am Kaminfeuer der Bourgeoisie. Es gibt viele erstaunliche Wendungen, aber die werden von Le Carré nicht so brachial serviert wie die oft bestürzenden Cliffhanger in den US-Krimis der Netflixserien, sondern gewissermaßen mit Tee, Gebäck und Sherry.

1931 in der südenglischen Grafschaft Dorset geboren, hatte er eine schwierige Kindheit. Seine Mutter verließ die Familie, als er fünf Jahre alt war. Sein Vater war von Beruf Hochstapler, entweder reich oder im Knast. Le Carré studierte Germanistik in Oxford und Bern und wurde Lehrer am Eton College. Schon vorher, in seiner Armeezeit in Österreich, hatte er sich beim Nachrichtendienst verpflichtet. Zurück in England, spionierte er linke Gruppen aus - gesucht wurde natürlich nach sowjetischen Spionen. Seine Bücher schrieb er unter dem Künstlernamen John le Carré, 1964 quittierte er den Dienst.

Die tollkühne James-Bond-Action gibt es in diesen Spionage-Thrillern nicht, es geht mehr um die berühmten Kopffilme in den Agenten, um ihre Paranoia, aber auch um ihren Instinkt. Selbstverständlich gibt es jede Menge Intrigen und deshalb auch viel Konversation. Immer ist alles sehr ambivalent gehalten, so wie auch in »Die Libelle«, le Carrés Roman zum Nahostkonflikt von 1983, selbstredend verfilmt. Wie muss man sich George Smiley vorstellen? Wenn ihn Alec Guinness in den Verfilmungen spielte, war le Carré sehr zufrieden. Er schrieb bis ins hohe Alter, sein letzter Roman, »Federball«, erschien im vergangenen Jahr. Vom Brexit war er angeekelt, wie auch von der britischen Regierung unter Boris Johnson. Mit Ambivalenz war da Feierabend. Le Carré empfand sie im Interview mit dem »Spiegel« als »nutzlose Menschen«.

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