nd-aktuell.de / 16.12.2020 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 14

Die Zähmung der Internet-Riesen

Mit einem Gesetzespaket will die EU-Kommission die Marktmacht großer Konzerne beschränken

Markus Drescher

Erinnern Sie sich noch an fiepsende und piepsende Modems, Mobiltelefone, mit denen man tatsächlich hauptsächlich nur telefonieren konnte; an eine Zeit, in der das Internet im Vergleich zu heute noch nicht diese überwältigende gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung hatte? Die digitale Welt unterliegt einem rasanten Wandel. Technischer Fortschritt, stetig neue Dienste und Möglichkeiten, da fällt es der analogen Welt häufig schwer, hinterherzukommen. Zum Beispiel den Gesetzgebern. 20 Jahre - im digitalen Zeitalter eine halbe Ewigkeit - ist es her, dass die Europäische Union ein umfangreiches Regelwerk für digitale Dienste und Onlineplattformen aufgestellt hat. Facebook zum Beispiel, einen der globalen Digital-Riesen, gab es da noch gar nicht.

Heute gehören der Konzern von Mark Zuckerberg, Amazon und Google nicht nur zu den wertvollsten Unternehmen, sie sind auch unglaublich einflussreich, haben Macht über Märkte und gesellschaftliche Entwicklungen. Eine Begrenzung dieser Macht wird seit Jahren gefordert, und nun scheint die EU tatsächlich gewillt, den Tech-Giganten Grenzen aufzuzeigen. EU-Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager, die auch für Digitales zuständig ist, erklärte vor Kurzem, dass man an einem Punkt sei, »an dem die Macht der digitalen Unternehmen - insbesondere der größten Gatekeeper - unsere Freiheiten, unsere Chancen, sogar unsere Demokratie bedroht«.

Mit einem Digitalpaket, das zwei Gesetzesvorschläge beinhaltet, die am Dienstagnachmittag vorgestellt werden sollten, will die EU-Kommission gegen diese Bedrohungen vorgehen. Zum einen mit dem Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) und zum anderen mit dem Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA). Im Prinzip geht es darum, mit einheitlichen europäischen Regeln die Marktmacht der führenden Konzerne einzuhegen und für einen faireren Wettbewerb zu sorgen, in dem auch kleinere Unternehmen eine Chance haben gegen Facebook & Co. Gleichzeitig sollen Online-Plattformen für die Inhalte, die dort veröffentlicht werden, mehr in die Verantwortung genommen werden, Stichworte Fake News und Hassrede.

Um diese zwei großen Ziele zu erreichen, soll etwa mit dem Gesetz über digitale Märkte ein neues Werkzeug eingeführt werden, das bereits wirksam wird, bevor Märkte kippen und die Macht eines einzelnen Unternehmens unkontrollierbar wird. Zum anderen sollen Plattformen, die bisher selbst bestimmen, unter welchen Voraussetzungen sie Inhalte löschen, Richtlinien für die Moderation von Inhalten bekommen.

Martin Schirdewan, Ko-Vorsitzender der Linksfraktion The Left im Europäischen Parlament und Mitglied im zuständigen Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, sieht in dem Paket eine Chance: »Der Digital Services Act bietet die Möglichkeit, den digitalen Binnenmarkt aufzuräumen. Der negative Einfluss dominanter Player wie Airbnb auf Wohnungsmärkte ist bereits weltweit erkennbar, dem ist Einhalt zu gebieten.« Neue gesetzliche Regelungen im Gesetz über digitale Dienste müssten den Datenaustausch zwischen Behörden und Plattformen garantieren, forderte Schirdewan am Dienstag vor der Vorstellung der Pläne, »damit Regulierungen nicht mehr durch fehlende Transparenz unterwandert werden können«.

Für Schirdewan muss sich die angestrebte Neuordnung des digitalen Binnenmarktes in Europa zudem »in die Transformation zu einer sozial-digitalen Gesellschaft einreihen«. Dies beinhaltet für ihn, »die Marktmacht der Monopole zu brechen und deren Geschäftsmodell zu ändern und zu regulieren. Kleine- und mittlere Unternehmen sowie Start-ups dürfen nicht weiter vom Markt verdrängt werden.«

Mit einer bloßen Regulierung der Marktmacht könnten die großen Digitalkonzerne in Europa im Vergleich zunächst noch glimpflich davonkommen. In den USA wird derzeit durchaus aggressiver vorgegangen, zumindest gegen Facebook, zu dem auch der sehr beliebte Messengerdienst Whatsapp und die Foto- und Videoplattform Instagram gehören. So wollen die US-Regierung und mehr als 40 Bundesstaaten vor Gericht erreichen, dass der Konzern wegen unfairen Wettbewerbs zerschlagen wird. Auch müssen die Konzerne nicht mit einem raschen Inkrafttreten der geplanten Restriktionen rechnen. Bis sich die verschiedenen Ebenen der EU abschließend auf ein Regelwerk geeinigt haben, dürfte noch einige Zeit vergehen.

Mit der geplanten Regulierung allerdings ist es für Schirdewan beim Vorgehen gegen die digitalen Riesen nicht getan: »Digitalkonzerne müssen endlich ihren gerechten Beitrag an der gesellschaftlichen Entwicklung leisten. Dazu gehören gute Löhne und gute Arbeit für alle Mitarbeiter*innen genauso wie eine starke Digitalsteuer.« Für eine solche gerechte Besteuerung müssten »endlich die Steueroasen in der EU geschlossen werden«, so Schirdewan. Mit Agenturen