nd-aktuell.de / 23.12.2020 / Politik

Türkisches Gericht verurteilt Journalisten Can Dündar

Terror- und Spionagevorwürfe gegen in Deutschland lebenden Exilanten / DJV fordert Schutz für den türkischen Medienmacher

Istanbul. Der im deutschen Exil lebende Journalist Can Dündar ist in der Türkei zu mehr als 27 Jahren Haft verurteilt worden. Dündar erhielt am Mittwoch eine Strafe von 18 Jahren und neun Monaten, weil er nach Ansicht der Richter Staatsgeheimnisse mit dem Ziel der militärischen und politischen Spionage erhalten hatte. Das Gericht verurteilte ihn zudem zu acht Jahren und neun Monaten Haft wegen Terrorunterstützung, wie aus dem Protokoll hervorging. Von dem Vorwurf geheime Informationen bekanntgegeben zu haben, wurde er demnach freigesprochen. Das Gericht ordnete zudem erneut Dündars Festnahme an.

Die Anwälte Dündars boykottierten aus Protest die Verhandlung. Sie hatten die Entscheidung zuvor damit begründet, dass sie kein Urteil legitimieren wollen, das zuvor bereits politisch entschieden worden sei.

Hintergrund des Verfahrens gegen Dündar ist ein Zeitungsbericht aus dem Jahr 2015, in dem die regierungskritische Zeitung »Cumhuriyet« geheime Informationen veröffentlichte, die Waffenlieferungen der Regierung an Rebellen in Syrien belegen sollten. Damals war Dündar Chefredakteur der »Cumhuriyet«.

Dündar war für die Veröffentlichungen 2016 zu mehr als fünf Jahren Haft wegen Geheimnisverrats verurteilt, und vom Vorwurf der Spionage freigesprochen worden. Der Oberste Gerichtshof in Ankara hatte das Urteil 2018 aber aufgehoben und erklärt, ein neues Verfahren gegen Dündar müsse um den Strafbestand der Spionage ausgeweitet werden.

Zuletzt hatte das Gericht Dündar für flüchtig erklärt. Daraufhin war sein Vermögen in der Türkei nach Angaben der Anwälte beschlagnahmt worden. Seit dem Spätsommer 2016 lebt Dündar in Deutschland. Gegen den Journalisten laufen mehrere Verfahren in der Türkei.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) kritisierte das türkische Urteil gegen den im deutschen Exil lebenden Journalisten als »Akt der Barbarei«. »Can Dündar hat recherchiert, berichtet und aufgedeckt - das ist guter Journalismus, aber kein Verbrechen«, erklärte DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall am Mittwoch in Berlin. »In freien Ländern gibt es dafür Journalistenpreise, in der Türkei hingegen Kerker.« Der DJV-Vorsitzende rief die deutschen Sicherheitsbehörden in dem Zusammenhang auf, den Exilanten Dündar in Deutschland lückenlos zu schützen: »Eine Entführung unseres Kollegen in die Türkei muss mit allen Mitteln verhindert werden.«

Die Türkei steht international regelmäßig wegen ihrer systematischen Einschränkung der Pressefreiheit in der Kritik. Das Land belegt derzeit den 154. Platz auf der Rangliste der internationalen Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen. Agenturen/nd