nd-aktuell.de / 13.01.2021 / Kultur / Seite 9

Gold, Nickel, Diamanten und jede Menge Gift

Die Berliner Ausstellung »Die Mine gibt, die Mine nimmt« von Ana Alenso thematisiert den Goldabbau im Amazonasgebiet

Tom Mustroph

Der Zugang zur Kunst ist dieser Tage von Barrieren erschwert. Glück haben jene Ausstellungshäuser, die sich zu ebener Erde befinden und über große Fenster verfügen wie die kommunale Galerie Wedding in Berlin. Die Ausstellung »Die Mine gibt, die Mine nimmt« der venezolanischen Künstlerin Ana Alenso ist auch von der Müllerstraße aus gut zu erkennen. Blickfang ist eine Baggerkabine. Alenso hat sie in Gelsenkirchen aufgetrieben, in einem der Lagerräume von Urbane Künste Ruhr. Zu Gast als Artist in residence in Deutschlands einstmals wichtigster Bergbauregion, arbeitete sie an ihrem Projekt über den Bergbau in Venezuela. Gold, Nickel, Coltan und Diamanten werden dort abgebaut, teilweise in Amazonasregionen, die eigentlich als Nationalparks vor industrieller Verwertung geschützt sein sollten. Weil Coltan auch in der Raumfahrt eingesetzt wird und weil Venezuela mit chinesischer Hilfe eigene Satelliten ins Weltall brachte, hat Alenso den Boden um die Baggerkabine mit einer silberfarbenen Folie bedeckt, wie sie auch bei Satelliten benutzt wird. Sie selbst fühle sich zuweilen auch als Satellit, erzählt sie dem »nd«: »Ich bin weit weg von zu Hause und verarbeite aus der Entfernung Informationen.«

Zentrales Thema der Ausstellung ist aber der Goldabbau. Eine Anlage, wie sie in der Amazonasregion eingesetzt wird, hat sie in einer, wie sie es nennt, »spekulativen Installation« nachgebaut. Sie besteht aus einem Fass, aus dem ockerfarbenes Wasser über eine Rutsche aus Metall strömt. »Das ist die Struktur einer Tame. Zuerst nimmt man Wasser und goldhaltige Erde aus dem Fluss und füllt es in eine Tonne. Dort wird Quecksilber zugegeben. Das verbindet sich mit dem Gold, das im Flusssand steckt. Das Wasser fließt dann über eine Rampe, die mit einer Aluminiumplatte bedeckt ist. Aluminium und Quecksilber ziehen sich magnetisch an. Das heißt, wenn man das Wasser abstellt, bleiben die Partikel aus Gold und Quecksilber auf der Aluminiumplatte haften«, erklärt sie das Prinzip. Es wirkt ganz erfindungsreich, und ist auch mit recht simplen Materialien umzusetzen. Es ist allerdings auch gefährlich und sehr schädlich. Denn das weiterhin mit Quecksilber kontaminierte Wasser wird in den Fluss zurückgeleitet. »Es schadet den Boden, den Pflanzen und den Fischen. Die Menschen, die die Fische essen, werden ebenfalls geschädigt«, sagt Alenso. Die Bergarbeiter selbst, oft Kinder, teilweise aus indigenen Gemeinschaften, teilweise von der Armut in den Städten zum Goldrausch gelockt, sind esonders gefährdet. Um Gold und Quecksilber voneinander zu lösen, flammen sie die auf dem Aluminium haftenden Partikel. »Dabei verbrennt das Quecksilber, und giftige Dämpfe werden freigesetzt«, warnt Alenso. Sie arbeitete für die Ausstellung eng mit der NGO »SOS Orinoco« zusammen, die seit langem diese Form des Raubbaus im Amazonasgebiet verfolgt.

Rechercheergebnisse der NGO und Berichte von Journalist*innen hat Alenso zu Videos verarbeitet. Die Videos werden auch an einem der Schaufenster projiziert, Lautsprecher übertragen den Ton nach außen.

In den Videos erfährt man, dass der Abbau teilweise durch die kolumbianischen Guerillaorganisationen ELN und FARC, aber auch durch klassische Mafiagruppen kontrolliert wird. »Für sie ist der Goldbergbau perfekt. Denn Gold kann wenig nachverfolgt werden, erst recht nicht, wenn man es umschmelzt. Die Verbindung zwischen illegalem Goldabbau und Drogenhandel im Amazonasbecken ist ein Thema, das viele Konflikt-Expert*innen heute verfolgen«, so Alenso. Das Gold kommt dann unter anderem über die Karibikinsel Curacao, die zu den Niederlanden gehört, nach Europa.

Auf das Thema Gold stieß Alenso in Folge ihrer Beschäftigung mit dem Erdöl. »Als Venezolanerin setze ich mich natürlich mit dem auseinander, was unser Land betrifft, was unsere Identität ausmacht. Da ist die Erdölindustrie sehr wichtig. Die Infrastruktur dafür wurde in den letzten 20 Jahren aber massiv zerstört. Zur Kompensation wurde schon unter Chavez der Plan entwickelt, die Ressourcen im Amazonasgebiet auszubeuten«, erzählt sie. Der Raubbau an der Erde, auch die Rücksichtslosigkeit, mit der gegen die indigenen Gemeinschaften und deren Lebensraum vorgegangen wird, passt so gar nicht zu dem Bild des »Sozialismus des 21. Jahrhunderts«, mit dem der frühere Präsident Venezuelas in Europa bekannt wurde. »Es ist bitter für die Indígenas. Viele hatten große Hoffnungen in Chavez. Erstmals hatten sie auch einen eigenen Minister. Aber viele sind jetzt desillusioniert«, konstatiert Alenso.

Aus der alten Heimat erfährt die Künstlerin, wie schwer es gerade in den Pandemiezeiten für viele ist. »Das Gesundheitssystem war schon vor drei Jahren überlastet. Viele Menschen, die nach Kolumbien oder Peru gegangen sind, um dort Arbeit zu finden, kommen jetzt zurück, weil auch dort die Situation schwierig ist«, berichtet sie.

Dem Lockruf des Goldes könnten nun auch für einige von ihnen erliegen. Der Titel der Ausstellung »Die Mine gibt, die Mine nimmt« geht auf eine indigene Gottheit zurück. »Es heißt von ›oro’epuru‹, der Schutzgottheit der Minerale, dass sie die, die viel Gold nehmen, bestrafen wird«, sagt Alenso. Die Mine gibt Gold, verspricht den Minenarbeiter*innen zumindest bescheidenen Wohlstand. Sie raubt aber ihre Gesundheit, schädigt die Umwelt, fördert Kriminalität und Korruption.

Eine ganz besondere Note erfährt die Ausstellung über den Goldbergbau dadurch, dass sie tagtäglich von Menschen frequentiert wird, denen oft das Nötigste fehlt. Ein Teil der Galerieräume wird seit dem ersten Lockdown durch das Sozialamt Wedding genutzt. Während die Galerie geschlossen ist, passieren Sozialhilfeempfänger*innen zu den Öffnungszeiten des Amtes tagtäglich die Installationen von Alenso. Es ist eine spezielle Art der Begegnung von Kunst und Leben - und zugleich eine der vielen Paradoxien der aktuellen Pandemieregeln.

»Die Mine gibt, die Mine nimmt«, bis 27. Februar, Galerie Wedding, Müllerstraße 146/147, Berlin. Die Ausstellung ist durch die Galeriefenster von außen zu sehen. Es gibt außerdem digitale Angebote dazu unter: www.galeriewedding.de[1]

Links:

  1. http://www.galeriewedding.de