nd-aktuell.de / 13.01.2021 / Politik / Seite 2

Neuer Pass, alter Streit

Die amtierende US-Regierung hebt diplomatische Restriktionen für den Umgang mit Taiwan auf, sehr zum Ärger von Peking

Alexander Isele

Reisepässe sind ein Politikum, zeigen sie doch, wie groß die internationale Anerkennung für ein tatsächlich Land ist. Für dessen Bewohner bedeutet der Pass, sich entweder eher frei in der Welt bewegen zu können oder eben davon ausgeschlossen zu sein. Doch auch das Design der Reisepässe kann ein Politikum sein, wie die Vorstellung der neuen Pässe in Taiwan an diesem Montag zeigte. Während bisher auf Englisch »Republik China« in großen Buchstaben draufstand und Taiwan klein darunter, verschwindet Ersteres in Zukunft fast vollständig vom Deckblatt, bleibt nur noch im Emblem klein zurück. Groß hingegen steht dort in Zukunft: Taiwan.

Die Vorstellung des neuen Passdesigns löste in Peking erwartbar keine Freude aus, ist es doch ein erneutes Zeichen dafür, dass die Insel sich politisch weiter von China entfernt. Sehr viel mehr Ärger löste allerdings die Ankündigung der scheidenden US-Regierung aus, zukünftig auf die »komplexen internen Beschränkungen« im diplomatischen Umgang mit Taiwan zuverzichten. Der Noch-Außenminister der USA Mike Pompeo hatte am Wochenende verkündet, alle »selbst auferlegten« Beschränkungen aufzuheben. In einem seiner wahrscheinlich letzten Schritte als Amerikas oberster Diplomat rief er dazu auf, die bilateralen Beziehungen zu Taiwan zu überarbeiten, da diese »nicht durch selbst auferlegte Beschränkungen unserer permanenten Bürokratie gefesselt werden sollen«. Die Kontaktbeschränkungen bezeichnete Pompeo als »Versuch zur Beschwichtigung des kommunistischen Regimes in Peking«. Offizielle in Taipeh reagierten begeistert, der taiwanische Premier Su Tseng Chang sagte: »Wir drücken unsere Dankbarkeit gegenüber den USA aus, dass sie ihre Stimme erhoben und Taiwan unterstützt haben.«

In Peking hingegen rief die Entscheidung wütende Reaktionen hervor. Alle Handlungen, die den fundamentalen Interessen Chinas zuwiderliefen, zögen eine entsprechend harte Antwort nach sich, sagte der chinesische Außenamtssprecher Zhao Lijian am Montag. Den USA warf er vor, mit Pompeos Erklärungen die bilateralen Vereinbarungen über die diplomatischen Beziehungen zu verletzen. Bei der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zur Volksrepublik 1978 hätten die USA versprochen, Peking als alleinige und legitime Regierung Chinas anzuerkennen und nur inoffizielle Kontakte mit Taiwan zu unterhalten. Die USA sollten alle Schritte unterlassen, ihre Beziehungen zu Taiwan aufzuwerten oder ihre militärische Kooperation zu stärken, so Lijian.

Der Streit um den Status Taiwans geht auf den Bürgerkrieg in China zurück, als die Truppen der nationalchinesischen Kuomintang nach ihrer Niederlage gegen die Kommunisten unter Mao Tsetung nach Taiwan flüchteten. In Peking wurde 1949 die kommunistische Volksrepublik gegründet, während Taiwan als »Republik China« regiert wurde und sich nach jahrelanger Militärdiktatur zu einer Demokratie entwickelte.

Die USA und Taiwan unterhalten keine offiziellen diplomatischen Beziehungen, wobei das American Institute in Taiwan als Quasi-Vertretung der USA fungiert. Mit seiner Ein-China-Doktrin versucht Peking, Taiwan international zu isolieren und seinen diplomatischen Partnern offizielle Beziehungen zu der demokratischen Inselrepublik zu untersagen. Auch Deutschland hat in Taipeh nur eine inoffizielle Vertretung und keine Botschaft.

Pompeos Ankündigung kommt allerdings alles andere als überraschend. Die Regierung von US-Präsident Donald Trump hat in den vergangenen Jahren vor allem die Verteidigungsbeziehungen ausgebaut. Allein im vergangenen Jahr genehmigten die USA den Verkauf von Waffen im Wert von bis zu fünf Milliarden US-Dollar. Nicht weniger als elf Rüstungspakete wurden in Trumps Amtszeit genehmigt, darunter der Verkauf strategischer Waffen und sogar von F-16-Kampfjets für 62 Milliarden US-Dollar. Dazu besuchten ranghohe US-Militärs wie Konteradmiral Michael Studeman vom Indo-Pazifik-Kommando und Regierungsmitglieder wie Gesundheitsministers Alex Azar die Insel.

Peking wirft Pompeo vor, mit der Aufhebung von diplomatischen Restriktionen die zukünftige US-Regierung unter Präsident Joe Biden zu sabotieren. Doch die Taiwan-Politik der Trump-Regierung baut auf einem überparteilichen Konsens auf. Erst im Dezember des vergangenen Jahres verabschiedete der US-Kongress den Taiwan Assurance Act, der darauf abzielt, »die Beziehungen zwischen den USA und Taiwan zu vertiefen und zu erweitern«, Waffenverkäufe zu regularisieren und Taiwans Teilnahme an internationalen Gremien zu unterstützen. Das Gesetz fordert die US-Regierung unter anderem auf, die bestehenden Richtlinien zum diplomatischen Austausch mit Taiwan innerhalb von 180 Tagen zu überprüfen. Der US-Außenminister kürzte den Überprüfungsprozess nun ab, vielleicht auch, um die Biden-Regierung in ihrer Taiwan-Politik zu binden.

In einem Kommentar warnte die chinesische Regierungszeitung »Global Times« vor Vergeltung und Krieg, sollte Pompeo noch vor Ablauf seiner Amtszeit die Insel besuchen, die Peking als abtrünnige Provinz betrachtet. »Wenn Taiwan und die Vereinigten Staaten es wagen, mit solchen Provokationen fortzufahren, wird ein Krieg wahrscheinlich. Wir werden die taiwanischen Behörden, die mit Pompeos Auftritt kooperieren, grundlegend bestrafen«, hieß es weiter.

Das US-Außenministerium wiegelte ab und verkündete, dass Pompeos letzte Reise als Topdiplomat nach Europa führen werde; ein Besuch in Taiwan sei nicht vorgesehen. Zumindest nicht von ihm: Für diesen Mittwoch ist allerdings die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Kelly Craft, für einen Besuch in Taiwan angekündigt. Auch auf diese Ankündigung reagierte Peking wütend.