nd-aktuell.de / 18.01.2021 / Kommentare

Mehrweg muss bei Essen »to go« zur Pflicht werden

Das Umweltschutzministerium wälzt die Verantwortung für mehr Nachhaltigkeit wieder nur auf die Verbraucher ab

Robert D. Meyer

Ein Burger auf die Hand, ein Kaffee zum Mitnehmen, die Pizza kommt direkt nach Hause: So einfach und schnell ein Snack und der Koffeinkick für unterwegs auch sind, die Bequemlichkeit hat ihren ökologischen Preis: Der Verbrauch von Verpackungen in Deutschland wächst laut Umweltbundesamt stetig, einen gewichtigen Anteil daran hat die »to go«-Mentalität. Hat das Essen zum Mitnehmen, die Bestellung aus dem Imbiss und Restaurant in die heimischen vier Wände in der aktuellen Pandemie[1] ihre gewachsene Berechtigung, damit die Gastronomie überlebt, bleibt der Verpackungswahnsinn auch dann ein Problem, wenn die Coronakrise eines Tages überwunden ist.

Deshalb ist es ein richtiger Schritt, dass das Bundesumweltministerium ab 2023 Gastronomie und Caterer dazu verpflichtet, den Kunden für den Außer-Haus-Verkauf eine Mehrwegvariante anzubieten. Allerdings steckt in genau dieser Wahlmöglichkeit ein altbekanntes Problem: Die Entscheidung, ob Einweg- oder Mehrweg, wird in letzter Konsequenz auf die Kundschaft abgewälzt, während sich die Gastronomie leicht aus der Verantwortung stehlen kann. Unternehmen können Mehrweg-Alibi-Lösungen anbieten, die zwar auf dem Papier die neue Regelung einhalten, für den Alltag allerdings so kompliziert oder teuer sind, dass die Mehrheit der Kundschaft abwinkt.

Soll die Pflicht zur Mehrwegverpackung der Umwelt tatsächlich einen Nutzen bringen, darf sie keine Wahlmöglichkeit darstellen, die am Ende nur eine überschaubare Zahl an ökologischen Idealisten erreicht. Es braucht klare Vorgaben und Normen, welche Kriterien ein Mehrwegsystem zu erfüllen hat. Im besten Fall kommt dabei ein Regelwerk heraus, das nicht nur das einzelne Restaurant oder eine Fast-Food-Kette zu Einzellösungen verpflichtet[2], sondern ein unternehmensübergreifendes Mehrwegsystem zum Ziel hat.

Dunkel werden sich manche kritische Verbraucher daran erinnern, dass es solch ein System bereits gibt, dieses von der Industrie aber seit Jahren immer weiter untergraben wird: Mehrwegflaschen. Anstatt auf eine Handvoll standardisierter Flaschengrößen, Formen und Farben setzen immer mehr Hersteller auf unverwechselbare Designs. Dies führt längst dazu, dass Brauerei A nicht mehr die leere Bierpulle von Brauerei B neu befüllen kann, weil in die Flasche irgendein Relief geprägt wurde oder diese anstatt eines halben Liters nur 400 Milliliter Inhalt fasst. Der eigentliche ökologische Vorteil ist damit dahin.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1142147.mehrwegverpackungen-in-pandemiezeiten.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1132500.gruene-fondsgeschaefte.html