nd-aktuell.de / 01.02.2021 / Kommentare

Deutsche Talkrunden: Oder soll man es lassen?

In dem Meinungstalk »Die letzte Instanz« wird über das Vermeiden rassistischer Begriffe debattiert, als gäbe es tatsächlich ein Für und Wider

Birthe Berghöfer

Es war nur eine Frage der Zeit, wann eine der vielen Talkrunden im deutschen Fernsehen wieder einmal Negativ-Schlagzeilen macht. Bei dem inflationären Unterhaltungsformat vergeht kaum ein Abend, an dem sich nicht die Zusammensetzung der Gäste, Fetzen der Debatte oder gar die Auswahl der Themen kritisieren lässt. An diesem Wochenende war es eine Wiederholung des WDR-Meinungstalk »Die letzte Instanz«, die in allen drei Punkten zu wünschen übrig ließ. Zu Gast: Autor Micky Beisenherz, Entertainer Thomas Gottschalk, Schlagersänger Jürgen Milski und Schauspielerin Janine Kunze, die sich unter anderem über die Frage unterhielten: »Das Ende der Zigeunersauce: Ist das ein notwendiger Schritt?«

Zur Diskussion stand also, ob es richtig ist, auf einen rassistischen Begriff zu vermeiden oder nicht. Eine Debatte à la »Antirassismus: Oder soll man es lassen?« So unterirdisch wie die Frage waren dann leider auch die Antworten: Jürgen Milski ist der Meinung, wer Witze auf Kosten von Gruppen wie Sinti und Roma nicht lustig findet, hat keinen Humor. Thomas Gottschalk glaubt scheinbar wissen zu können, »wie sich ein Schwarzer fühlt«, weil er sich auf einer Party mal als Jimi Hendrix verkleidet hat. Und Janine Kunze kennt niemanden, der sich durch das Z-Wort beleidigt fühlt, ergo ist es auch nicht diskriminierend.

Ebenfalls mehrfach Thema des Abends: Ab wann ist man zu alt, um sich rassistische Begriffe ab- oder auch geschlechtergerechte Sprache anzugewöhnen und wann hat man einfach »keine Lust« mehr.

»Das hier ist das mit Abstand Ignoranteste, Arroganteste und Diskriminierendste, was ich seit langem im deutschen TV gesehen habe! Vier weiße Menschen, die erklären wie anstrengend und albern es ist, sich mit Rassismus-Kritik auseinanderzusetzen«, twitterte die Autorin Jasmina Kuhnke. Eine Kritik unter vielen, die sich die vergangenen Tage im Netz sammelten. Darunter auch Beiträge, die zeigen, wer und was Talkrunden zu einem Abendprogramm mit Mehrwert machen: So erklärte der Aktivist und Autor Gianni Jovanoviç Mitte Januar beim »Kölner Treff«, weswegen das Z-Wort rassistisch ist und ordnet es historisch ein: »Das Wort Z wurde meinen Verwandten und Menschen aus meiner Familie in der Zeit von 1939-1945 in der Haut ein tätowiert und dann wurden sie vergast.«

Wie unpassend es ist, vier nicht von Rassismus betroffene Menschen über genau dieses Thema diskutieren zu lassen, haben mittlerweile auch der WDR sowie einige der Teilnehmenden verstanden und sich entschuldigt. Der SPD-Politiker Alexander Vogt, der Mitglied im WDR-Rundfunkrat ist, soll laut »Deutschlandfunk« auf Clubhouse angekündigt haben, dass die Sendung bei der nächsten Sitzung des Gremiums am 23. Februar angesprochen werde.

Gut so. Dabei sollte allerdings nicht nur über die Zusammensetzung der Runde, sondern auch die Fragestellung dieses Meinungstalks gesprochen werden. Denn wer das Vermeiden rassistischer Begriffe zur Diskussion stellt, tut so, als gäbe es tatsächlich ein Für und Wider. Aber Rassismus ist keine Meinung - das muss in deutschen Talkshows konsequenter deutlich werden.