Mietendeckel: Klagen und Realität

Wohnungswirtschaft will sich in ihr Handeln nicht reinreden lassen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

»Hohe Einbußen, wenig Nutzen«, so bringt Maren Kern ihre Sicht auf den Mietendeckel am Donnerstag auf den Punkt. Sie ist Vorständin des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) und stellt dessen Marktmonitor 2020 vor. Im BBU sind hauptsächlich kommunale und genossenschaftliche Vermieter vertreten, allerdings auch renditeorientierte Konzerne wie Deutsche Wohnen und Vonovia.

Kern beziffert die Einnahmeausfälle für die fünfjährige Laufzeit des Mietendeckels für die Berliner Mitglieder auf 900 Millionen Euro. Das entspräche bezogen auf die knapp 740.000 BBU-Wohnungen in der Hauptstadt einer Einbuße von monatlich rund 20 Euro pro Mieteinheit. Der BBU errechnet daraus mögliche Minderinvestitionen von 4,5 Milliarden Euro, wenn von 80 Prozent Kreditfinanzierung ausgegangen wird.

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Entsprechend düster fällt die BBU-Umfrage unter den Mitgliedern aus. 59 Prozent der Befragten gaben an, Modernisierungen deutlich zu reduzieren oder ganz einzustellen, 41 Prozent wollten so bei energetischen Sanierungen verfahren. In den Zahlen der Investitionsbank Berlin, bei der Modernisierungen, die auf die Miete umgelegt werden können, laut Mietendeckel angezeigt werden müssen. Für rund 36.000 Wohnungen lagen diese Ende 2020 vor - rund 2,4 Prozent des relevanten Bestands von 1,5 Millionen Wohnungen. Kein niedriger Wert.

Kern bedauert, dass das Zuschussprogramm zur energetischen Sanierung immer noch nicht gestartet ist. 48 Millionen Euro stehen im Haushalt dafür bereit, doch es fehlen immer noch die Förderbedingungen, die die Verwaltung von Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) ausarbeiten sollte.

Vier Genossenschaften, darunter Mitglieder des BBU, haben bereits im August 2020 eine Verfassungsbeschwerde gegen den Mietendeckel eingelegt, darunter auch die Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG. »Der Mietendeckel hindert uns an der Erfüllung unseres Auftrages, ein nachhaltiges und sozial ausgewogenes Wohnungsangebot bereitzustellen«, gibt Kern die Argumentation der Genossenschaften wieder.

»Mit der Klage handeln die vier Genossenschaften gegen die Interessen ihrer Mitglieder und fügen der Genossenschaftsbewegung Schaden zu«, kommentiert die Initiative Die Genossenschafter*innen. Gerade diese vier Genossenschaften hätten in den letzten Jahren hohe Überschüsse erwirtschaftet, Rücklagen und auch die flüssigen Mittel seien hoch, heißt es von der Vernetzung Berliner Genossenschaftsmitglieder.

Die 1892 hatte bereits für Tausende Wohnungen Härtefallanträge zur Befreiung vom Mietendeckel bei der Investitionsbank gestellt (»nd« berichtete), über die noch nicht entschieden wurde. Zumal bereits am Anfang der 157-seitigen Klageschrift eine Möglichkeit genannt wird, ohne Verstoß gegen den Mietendeckel von den Mitgliedern zusätzliche Finanzmittel zu bekommen, sollte die Lage problematisch sein: sie könnte Nachschüsse verlangen oder neue Kredite aufnehmen. Angesichts von 59,1 Millionen Rücklagen Ende 2019 dürfte das eher nicht drohen, zumal sie laut Geschäftsbericht 2019 trotz Mietendeckel von kumulierten Überschüssen von 9,5 Millionen Euro von 2020 bis 2024 ausgeht.

Der BBU argumentiert gegen den Mietendeckel auch ähnlich wie der Bundesverband der privaten Wohnungswirtschaft BFW. »Die größten Mietabsenkungen müssen für topsanierte Wohnungen in Berlins besten Wohnlagen vorgenommen werden, deren Mieterinnen und Mieter sich auf Grund ihrer hohen Einkommen große und teure Wohnungen leisten können und sich bewusst dafür entschieden haben, so zu wohnen«, erklärte dessen Berlin-Brandenburger Landeschefin Susanne Klabe vor wenigen Tagen.

»Natürlich bedeuten teurere Mieten auch höhere Einsparungen«, entgegnet Wibke Werner. »Viele Mieter der 1,5 Millionen Wohnungen profitieren davon, dass sie keine Angst vor Mieterhöhungen haben müssen. Gerade die, für die jeder Euro zählt«, sagt die stellvertretende Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins zu »nd«.

Der BBU stellt lieber seine vergleichsweise günstigen Mieten heraus. Diese lagen 2019 in Berlin bei Bestandsverträgen kalt bei durchschnittlich 6,29 Euro und bei Neuverträgen bei 7,95 Euro pro Quadratmeter. In Friedrichshain-Kreuzberg wurden allerdings schon 9,43 Euro Kaltmiete fällig. Bei Neubauten sind es berlinweit 10,58 nettokalt pro Quadratmeter. Das dürfte auch an der Grenze von durchschnittlich zehn Euro im Neubau liegen, die den landeseigenen Wohnungsunternehmen auferlegt ist. Fast zwei Drittel der nicht preisgebundenen Neubauwohnungen, die BBU-Mitglieder 2019 fertiggestellt hatten, gehen auf deren Konto.

Maren Kern beklagt, dass die evidenzbasierten Mietpreise des BBU in der öffentlichen Diskussion keine Rolle spielten, sondern nur die hohen Preise für auf den Internetportalen angebotenen Wohnungen. Das von Rot-Rot-Grün geplante Mietenkataster, das den Gesamtmarkt abbilden würde, lehnt sie hingegen ab. »Wir wollen ja nicht wieder in irgend so eine staatliche Wohnraumlenkung rein«, sagt Kern.

»Ich weiß nicht, für wen der BBU spricht. Vonovia und Deutsche Wohnen vertreten ihre Interessen selber, Genossenschaften klagen selber und die landeseigenen Wohnungsunternehmen können sich an den Senat wenden«, kommentiert Linke-Wohnungspolitikerin Gaby Gottwald.

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