nd-aktuell.de / 12.02.2021 / Politik / Seite 6

Der Körper als Waffe

Der griechische Kommunist Dimitris Koufontinas befindet sich seit über einem Monat im Hungerstreik

Christopher Wimmer

Elf mal lebenslänglich wegen angeblicher Beteiligung an elf Morden, Banküberfällen sowie Mitgliedschaft in der »terroristischen« Organisation »17. November« - so lautete das Urteil des griechischen Staates gegen den kommunistischen Revolutionär Dimitris Koufontinas. Seit 2003 sitzt Koufontinas im Gefängnis und wird dieses wohl nie wieder verlassen. Seit dem 8. Januar befindet er sich in einem Hungerstreik, um gegen verschärfte Haftbedingungen zu protestieren. Seither werden aus Griechenland vermehrt Aktionen sowie militante Angriffe zum Beispiel auf Banken und auf Gerichtsgebäude vermeldet.

Ende Dezember 2020 verabschiedete die griechische Regierung der konservativen Partei Nea Dimokratia eine Reform des Strafvollzugs, bei der die Haftbedingungen für »Terroristen« deutlich verschlechtert wurden. Diese dürfen nun nicht mehr in sogenannten »ländlichen Gefängnissen« inhaftiert sein, in denen weitaus bessere Bedingungen herrschen, sondern müssen in Hochsicherheitsgefängnisse ihre Haftstrafe absitzen. Die Verabschiedung dieses Gesetzes führte zur sofortigen Verlegung Koufontinas aus dem Gefängnis der Hafenstadt Volos. Doch anstatt ihn, wie zuerst vorgesehen, in ein moderneres Gefängnis in Athen zu verlegen, entschied die Staatsanwaltschaft, ihn ins Hochsicherheitsgefängnis von Domokos in Mittelgriechenland zu bringen. Dort sitzt der Kommunist Koufontinas nun unter anderem mit der Führung der faschistischen ehemaligen Parlamentspartei »Goldene Morgenröte« ein, die ebenfalls wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurde. Koufontinas spricht in einer Erklärung von einem »Krieg« des griechischen Staates gegen ihn.

In seinem autobiografischen Roman »Geboren am 17. November« beschreibt Koufontinas seinen politischen Werdegang. Zweifellos sollte der 17. November 1973 das Leben des heute 63-Jährigen weitestgehend bestimmen. An jenem Tag wurde ein Aufstand von Studierenden gegen die griechische Militärdiktatur blutig niedergeschlagen, bei der rund zwei Dutzend Menschen ums Leben kamen und mehrere Hundert verletzt wurden. 1977 bekam Koufontinas Kontakt zu illegalen Organisationsstrukturen und ging 1985 als Mitglied der revolutionären Organisation »17. November« in den Untergrund. Nach der Festnahme mehrere Mitglieder tauchte er 2002 bewusst aus der Illegalität auf, um deren revolutionäre Ziele zu verteidigen. Seit seiner Verhaftung hat er politische Bücher übersetzt und in Haft an zahlreichen Protesten teilgenommen. Bereits vier mal befand er sich im Hungerstreik. Diesen Streik gegen die Haftverschärfung nun will er so lange fortsetzen, bis er in das Athener Gefängnis verlegt wird. Während des Streiks befindet er sich in einem Krankenhaus. Laut den Ärzten ist sein Zustand kritisch. Er könnte jeden Moment zusammenbrechen.

Während des Streiks kam es in den letzten Wochen in ganz Griechenland zu Initiativen und Solidaritätsaktionen wie Protesten, Demonstrationen, Graffitis oder Transparenten. Insbesondere aus Athen wird dabei immer wieder von massiver Polizeigewalt berichtet. Bei einer Solidaritätskundgebung von nur einigen Hundert Menschen setzte die Polizei Tränengas ein, verprügelte wahllos Demonstrierende und nahm auch einen Fotoreporter vorübergehend fest. Für diesen Freitag ist ein internationaler Tag der Solidarität mit dem Hungerstreikendem geplant. Auch in Deutschland wurde dieser Aufruf geteilt und so wird in Berlin um 12.30 Uhr zu einer Kundgebung vor dem griechischen Konsulat in der Mohrenstraße 17 aufgerufen.

Begleitet werden die Aktionen gegen die verschärften Haftbedingungen in Griechenland von Protesten gegen ein neues Universitätsgesetz. Dieses sieht unter anderem vor, an den Universitäten, die in Griechenland häufig eine lange widerständige Tradition haben, eine »Campuspolizei« einzurichten. Diese soll Personen festnehmen, Verfahren einleiten und an die Staatsanwaltschaft weiterleiten können. Damit, so befürchten Studierendendenvertretungen, komme es zu einer Kriminalisierung studentischer Organisationen und linker Studierender. »Studenten sind keine Kriminellen!«, stand auf den Bannern der Studierenden bei den großen Protestkundgebungen, an denen sich auch Lehrkräfte, Eltern und Schüler*innen beteiligten. In Thessaloniki ging die Polizei mit Schlagstöcken und Tränengas gegen die Studierenden vor. Für einige sicherlich eine Erinnerung an den 17. November 1973.