nd-aktuell.de / 23.02.2021 / Berlin / Seite 9

Schlupflöcher werden geschlossen

Neufassung der Ausführungsvorschriften zum Mietendeckel soll Umgehungsversuche verhindern

Nicolas Šustr

Das Berliner Start-up mbly gibt sich sehr sicher. Ihr Modell sei »eine vom Mietverhältnis unabhängige Dienstleistung. Diese ist genauso wenig beschränkbar wie ein Internetanschluss«, heißt es in einem Pressetext. Ihr Modell zur Umgehung des Mietendeckels: Vermieter möblierter Wohnungen verkaufen die Einrichtung über eine monatliche Ratenzahlung an mbly. Das Start-up schließt wiederum einen Vertrag mit dem Wohnungsmieter über das Mobiliar. Angeblich soll damit das Verbot von Möblierungszuschlägen über die laut Deckel zulässigen Höchstmieten rechtssicher umgangen werden.

Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke) bezeichnet das Modell, »über eine Strohmannfirma und die Weitervermietung von Möbeln« das Verbot von Möblierungszuschlägen zu umgehen, als »sehr grenzwertig«. Auch Zusatzverträge seien »schlicht rechtswidrig«, betont er.

Um das klarzustellen, hat die Stadtentwicklungsverwaltung nach nd-Informationen einen Entwurf zur Neufassung der Ausführungsverordnung zum »Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen« erarbeitet, der den Bezirken seit einigen Tagen vorliegt. »Dort wird eine Umgehung von Mietobergrenzen durch separate Möblierungsmietverträge explizit ausgeschlossen«, berichtet ein Verwaltungsmitarbeiter »nd«.

Die neuen Ausführungsvorschriften zum Mietendeckel sollen auch Unklarheiten zur Gültigkeit des Gesetzes bei der Vermietung von länger leerstehenden Wohnungen beseitigen. Laut der noch gültigen Fassung der Verordnung sollen sich Hauseigentümer vom jeweiligen Bezirk eine sogenannte Unbewohnbarkeitsbescheinung holen, um nachweisen zu können, dass der Wohnraum vor 2014 nicht zur Verfügung stand und daher wie ein Neubau zu werten ist, für den der Mietendeckel nicht greift. »Das Problem ist, dass so eine Bescheinigung bisher nicht existierte und nirgends Kriterien dafür definiert waren«, so der Insider zu »nd«.

In so einem Haus wohnt beispielsweise ein junger Geflüchteter aus Afghanistan. Für nicht einmal 60 Quadratmeter in Lichtenberg müssen Said Rafe Saidy und ein Mitbewohner fast 1000 Euro Miete zahlen.[1] »Der Mietendeckel findet bei den Gebäuden Egmontstraße/Skandinavische Straße insgesamt keine Anwendung«, sagte ein Sprecher des Unternehmens NICE Facility Management GmbH zu »nd«. Die Gebäude seien 2016 kernsaniert worden.

»Hier legt der neue Entwurf der Verordnung deutlich klarere Kriterien zu Grunde«, so der Verwaltungsmitarbeiter. Es seien einem Neubau vergleichbare Kosten genannt, auch müssten die Wohnungen mindestens ein Jahr leergestanden haben und dürften nicht lediglich abgewohnt sein. Das bisherige Ämter-Pingpong zwischen Bauaufsicht und Wohnungsamt könne ein Ende haben. »In wohl jedem Bezirk gibt es Häuser, bei denen die Eigentümer die Sanierung gestoppt haben, bis ihnen der Bezirk die Ausnahme vom Mietendeckel genehmigt«, heißt es.

Wenig Hoffnungen kann sich offenbar auch die Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 machen, was ihre Härtefallanträge betrifft, mit denen sie nach nd-Informationen für fast 4000 Wohnungen aus wirtschaftlichen Gründen eine Befreiung vom Mietendeckel beantragt hat.[2] Das sind weit über die Hälfte der Anträge für berlinweit insgesamt 6211 Wohnungen, die bis Ende Januar bei der zuständigen Investitionsbank Berlin gestellt worden sind. »Das hat uns etwas Kopfzerbrechen bereitet«, sagt Scheel. Doch es könne nicht gemeint sein, dass die Besicherung von Bankkrediten nur auf die Mieteinnahmen einzelner Objekte gestützt sind. »Damit ist es entschieden«, so Scheel.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1148246.gefluechtete-in-berlin-wohnungsnot-teuer-bezahlt.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1147916.wohnen-mietendeckel-klagen-und-realitaet.html?sstr=Wohnungsgenossenschaft|von|1892