Milchmädchenrechnung oder Alternative?

urlaub in corona-zeiten: reisen mit dem flex-tarif?

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Die Erfahrungen der letzten Urlaubssaison 2020 wirken nachhaltig. Anzahlungen, Restpreiszahlungen oder Flugticketpreise wurden oftmals erst nach mehrfacher Anmahnung verzögert oder zum Teil bis heute nicht an die Verbraucher zurückgezahlt.

Die Irreführung der Kunden bei TUI

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) hat mehrere Reiseveranstalter wegen der Gestaltung ihrer Webseiten abgemahnt, weil sie oft den falschen Eindruck vermittel, als hätten Kunden bei corona-bedingter Stornierung einer Reise nur die Wahl zwischen Reisegutschein oder Umbuchung. Das ist irreführend und soll Kunden davon abhalten, ihre Rechte zu wahren.

Auch auf der Internetseite des Reiseveranstalters TUI war der Anspruch der Kunden auf Rückzahlung des Reisepreises versteckt. Während über »Corona und ihre Reise« ausführlich die Möglichkeiten beschrieben wurde, nach Absage kostenlos umzubuchen oder sich einen Gutschein ausstellen zu lassen, war der Hinweis auf den Erstattungsanspruch kaum aufzufinden.

Das Landgericht Hannover hielt das Vorgehen von TUI für unzulässig: Der vzbv hatte mit seiner Unterlassungsklage (Az. 13 O 186/20) Erfolg. Reiseveranstalter dürften es Kunden im Internet nicht so schwermachen, eine derart wichtige Information zu finden. Das erschwere Verbrauchern unangemessen, ihr Recht auf Rückzahlung geltend zu machen. TUI müsse auf ihrer Webseite die Hinweise zu corona-bedingt abgesagten oder stornierten Reisen explizit richtig stellen. Reiseveranstalter müssen klar und deutlich darauf hinweisen, dass Kunden bei einer Reiseabsage wegen der Corona-Pandemie die Rückzahlung des Reisepreises verlangen könnten, so das Landgericht. Das Angebot eines Reisegutscheins oder die Umbuchung auf eine andere Reise kämen lediglich als »optionales Alternativangebote« in Betracht. Das müsse eindeutig auch so formuliert werden, verlangte das Landgericht. OnlineUrteile.de

Dennoch ist die Sehnsucht nach möglichst unbeschwertem Urlaub auch in diesem Jahr groß. Doch wie kann eine Buchung erfolgen, ohne wieder in Vorkasse gezahltes Geld im schlimmsten Fall zu verlieren oder aufwendig zurückfordern zu müssen? Natürlich haben die Reiseveranstalter darauf reagiert. Geld-zurück-Garantien oder großzügige Stornobedingungen sollen das Buchungsverhalten ankurbeln.

Der sogenannte Flex-Tarif einiger Reiseveranstalter soll eine Motivation dafür sein. Natürlich unterscheiden sich die Konditionen der Veranstalter, aber das Prinzip ist gleich: Mehr bei der Buchung zahlen, dafür als Gegenleistung kurzfristige Stornierungsmöglichkeit ohne die sonst üblichen Stornierungsgebühren. Ist das nun eine Milchmädchenrechnung oder tatsächlich eine echte Alternative bei Buchungen in Corona-Zeiten?

Hier sollte nach Auffassung der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt (vzsa) zwingend der Blick in das sogenannte Kleingedruckte - also in die Reisebedingungen - erfolgen. Einige Veranstalter behalten den Aufschlag, in anderen Fällen bekommen die buchenden Verbraucher diesen zurück. Auch die Höhe des Zuschlages ist unterschiedlich. Hier muss letztlich bei einer Entscheidung dafür oder dagegen das eigene Portemonnaie entscheiden.

Nach wie vor gelten die gesetzlichen Regelungen zum Pauschalreiserecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Danach ist bei Vorliegen unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände am Urlaubsort oder während der Beförderung zum Urlaubsort, die die Durchführung der Pauschalreise erheblich beeinträchtigen, ein kostenfreier Rücktritt vom geschlossenen Vertrag möglich. Ist das strittig, fallen Stornogebühren an, die in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Stornierung variieren.

Insoweit ist empfehlenswert zu prüfen, in welchem Verhältnis Zuschlag und Stornogebühren stehen. Letztlich muss jeder Verbraucher - möglichst nach Abwägung aller Vor- und Nachteile - eine Entscheidung für sich und seine Familie in Sachen Urlaubsbuchung treffen. vzsa/nd

Weitere Auskünfte und Terminvereinbarungen über das landesweite Servicetelefon der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt unter (0345) 29 27 800 sowie unter www.verbraucherzentrale-sachsen-anhalt.de.

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