nd-aktuell.de / 09.03.2021 / Brandenburg / Seite 11

Erschreckend viel häusliche Gewalt

Innenminister Stübgen: Auswirkungen der Coronakrise spiegeln sich in der Kriminalstatistik 2020 wider

Tomas Morgenstern

Corona stellt viele Maßstäbe, die das Zusammenleben der Menschen charakterisieren, auf den Kopf. Das lässt sich auch an der Polizeilichen Kriminalstatistik 2020 für Brandenburg ablesen, die Innenminister Michael Stübgen (CDU) und Polizeipräsident Oliver Stepien am Montag in Potsdam vorgestellt haben. Danach steht einem allgemeinen Rückgang der Kriminalität ein nach Stübgens Worten insgesamt »erschreckendes«, ja sogar »beängstigendes« Anwachsen der häuslichen Gewalt gegenüber. Um ein Fünftel (19,8 Prozent) ha᠆ben Straftaten zugenommen, die sich hinter verschlossenen Wohnungstüren gegen Familienangehörige und Mitbewohner richten.

Die Statistik erfasst insgesamt 5235 Straftaten im Bereich der häuslichen Gewalt (2019: 4371). Es sind dies alle Formen physischer, psychischer und sexueller Gewalt gegenüber Personen, die in enger Beziehung zum Täter stehen. Und die Behörden gehen von einer überaus hohen Dunkelziffer aus. »Das ist nicht hinnehmbar«, betonte Stübgen. Das Land setze auf verstärkte Präventionsmaßnahmen und prüfe auch Möglichkeiten einer speziellen Dunkelfeldstudie.

»Brandenburg ist im vergangenen Jahr rein rechnerisch wieder ein Stück sicherer geworden«, erklärte der Minister. »Insgesamt mussten 162 941 Straftaten verzeichnet werden. Das ist ein Rückgang um 5,2 Prozent. So wenige Straftaten wurden seit Bestehen des Landes nicht begangen.« Das sei die gute Nachricht. »Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Pandemie hat die äußeren Rahmenbedingungen gerade in den ersten Monaten des Lockdowns von März bis Mai 2020 verändert.« Das, so Stübgen, habe auch den Rückgang der Fallzahlen in der Kriminalstatistik bedingt. Die Aufklärungsquote sei leicht auf 56,4 Prozent gestiegen und sei damit die höchste seit 2008. Mit insgesamt 6461 Straftaten je 100 000 Einwohner - ein Tiefstand der letzten 20 Jahre - liege Brandenburg im bundesweiten Vergleich im guten Mittelfeld der Länder.

Doch ungeachtet mancher unverkennbar positiven Entwicklung verwies der Minister darauf, dass sich das Corona-Jahr 2020 nicht gut eigne, längerfristige Trends in der Kriminalitätsentwicklung daraus abzuleiten. »2020 war außergewöhnlich«, betonte er. Homeschooling, Kontaktbeschränkungen, Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit - kurzum Existenzängste - prägten durch die Corona-Pandemie das Jahr. Dadurch haben sich der Alltag, die finanzielle Situation, oftmals der Gemütszustand aber auch die Tatgelegenheiten verändert. Das seien nur erste Erklärungsansätze, die aber keinerlei Taten rechtfertigten.

Ein grundsätzlicher Wandel ist nach Einschätzung von Ministerium und Polizei in den vergangenen fünf Jahren in der Zusammensetzung der Gesamtkriminalität festzustellen. So machten Diebstahlsdelikte zwar weiterhin den größten Teil an der Gesamtkriminalität aus, dennoch habe sich der Anteil erheblich um insgesamt sieben Prozentpunkte auf nunmehr 33,7 Prozent reduziert. Hingegen habe sich der Anteil der Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit 2020 um 2,1 Prozentpunkte auf 14,9 Prozent erhöht.

Bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung war ein leichter Anstieg auf 2152 Fälle (2019: 2127) zu verzeichnen. Ihr Anteil an der Gesamtkriminalität betrug 1,3 Prozent.

Die Gewaltstraftaten sind um 6,7 Prozent auf 4693 Fälle zurückgegangen. In diesen Bereich fallen unter anderem Delikte wie gefährliche und schwere Körperverletzung, Vergewaltigung, Mord und Totschlag. Insgesamt wurden 2020 in zehn Fällen Mordermittlungen der Polizei abgeschlossen (2019: 18 Fälle). Rückläufig waren auch die Zahlen bei versuchtem Totschlag und Totschlag - von 38 auf 33 Fälle.

»Besonders trifft mich die erneut hohe Fallzahl an Gewalt gegenüber Polizistinnen und Polizisten«, sagte der Innenminister. Die Zahl der Beamten, die im Dienst Opfer von Gewalt wurden, sei nur leicht zurückgegangen. »Gewalt gegen Polizeibedienstete ist nicht tolerierbar und muss mit der vollen Härte des Rechtsstaats begegnet werden«, so Stübgen. Mit seinen Unions-Kollegen trete er für eine Verschärfung des Strafmaßes ein.