Forderung nach Konsequenzen nach Gewalt bei Corona-Demonstrationen

Linke in Sachsen fordert nach Ausschreitungen in Dresden Sondersitzung des Innenausschusses / Festnahmen und Anzeigen in mehreren deutschen Städten

  • Lesedauer: 5 Min.

Dresden. In mehreren deutschen Großstädten hat es am Samstag bei Demonstrationen gegen die Corona-Auflagen Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmern und der Polizei gegeben. Bei einer verbotenen »Querdenken«-Demonstration in Dresden wurden zwölf Beamte verletzt, wie die Polizei mitteilte. In Stuttgart griffen Demonstranten Medienvertreter an, von Protestierenden attackierte Polizisten setzten kurzfristig Pfefferspray ein. Mehrere Demonstrationen löste die Polizei auf, darunter in München.

Bei der Dresdner »Querdenken«-Demonstration waren nach Polizeiangaben zwei Gruppen mit jeweils mehreren hundert Teilnehmern durch die sächsische Landeshauptstadt gezogen. Dabei gab es demnach auch Gewalt gegen Sicherheitskräfte. Im Laufe des Tages wurden laut Polizei 47 Straftaten registriert, darunter neun tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Wegen Verstößen gegen die Corona-Auflagen nahmen die Einsatzkräfte mehr als 940 Anzeigen auf, gegen mehr als 900 Menschen wurden Platzverweise ausgesprochen. Berichten des Senders MDR zufolge wurden Polizeisperren durchbrochen und Polizeibeamte zu Boden gerissen. Neben den Demonstrationen gab es laut Polizei vier Autokorsos mit insgesamt rund hundert Fahrzeugen, die aus Städten der Umgebung nach Dresden fuhren.

Das Oberverwaltungsgericht Bautzen hatte in der Nacht zum Samstag das Verbot der »Querdenker«-Demonstration in Dresden bestätigt. Die Stadt hatte am Dienstag ein Versammlungsverbot ausgesprochen, das Verwaltungsgericht Dresden bestätigte dies am Freitag.

Bei der Demonstration wurde nach Angaben des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) auch ein Journalist angegriffen. Auch bei der Demonstration in Stuttgart meldete ein Fernsehteam Übergriffe. Der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall kritisierte die Attacken scharf: »Wenn sich der Corona-Frust in Gewalt gegen Berichterstatter wie auch gegen Polizeibeamte entlädt, ist das nicht zu entschuldigen.«

Am Sonntag häufen sich die Forderung nach Konsequenzen und Aufarbeitung. »Es kamen viele Coronaleugner, sogenannte Querdenker und organisierte Rechtsextreme nach Dresden, obwohl das Verbot der angezeigten Versammlungen durch das Oberverwaltungsgericht bestätigt wurde«, kritisierte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Albrecht Pallas. Dennoch sei es rund 1000 Menschen gelungen, durch die Stadt zu laufen und immer wieder Polizeiketten zu durchbrechen. »Erneut wurden aus den Reihen der Querdenker brutal Polizisten und Journalisten angegriffen«, so Pallas. Die Polizei sei nicht in der Lage gewesen, das Verbot der Versammlungen durchzusetzen.

Der Innenpolitiker unterstützt daher die Forderung der Linken nach einer Sondersitzung des Innenausschusses. »Die Ereignisse müssen politisch und parlamentarisch aufgearbeitet werden.« Der Ausschuss müsse hinterfragen, ob die Taktik von Versammlungsbehörde und Polizei richtig gewesen sei, ob der Kräfteansatz gepasst habe und ob eher hätte eingegriffen werden müssen.

Auch die Grünen im Landtag sprachen sich für eine Sondersitzung des Innenausschusse aus. Aus den Fehlern der Vergangenheit seien offensichtlich nicht die richtigen Schlüsse für die Einsatzkonzepte bei »Querdenken«-Demos gezogen worden, kritisierte der Abgeordnete Valentin Lippmann. »Zum wiederholten Mal ist das fatale Bild entstanden, dass der Staat teilweise vor gewaltbereiten Demokratiefeinden zurückgewichen ist.«

Die Linken im Landtag hatten zuvor angekündigt, einen solchen Ausschuss am Montag zu beantragen. »Ich will wissen, warum das Verbot der Infektionsschutzgegner-Versammlung nicht durchgesetzt wurde«, so Linke-Politikerin Kerstin Köditz. Sie kritisierte Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) als »Pannen-Innenminister« und forderte nach den jüngsten Ereignissen Konsequenzen.

In Stuttgart zogen nach Polizeiangaben am Samstag nach einer vom Versammlungsleiter für beendet erklärten Demonstration hunderte Menschen im mehreren Gruppen durch die Innenstadt. Die Polizei stoppte die Aufzüge. In einem Fall wurden demnach Polizisten angegriffen - die Beamten setzten kurzfristig Pfefferspray und ihre Einsatzstöcke ein.

In München sind nach mehreren Demonstrationen mehr als 50 Teilnehmer angezeigt worden. Wie die Polizei mitteilte, waren darunter mehr als 30 Ordnungswidrigkeiten wegen Verstößen gegen das Versammlungs- und Infektionsschutzgesetz sowie über 20 Straftaten wie der Gebrauch unrichtiger Atteste und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Außerdem wurde ein Mann festgenommen, der im Verdacht steht, bei einer früheren Veranstaltung einen Journalisten angegriffen zu haben.

500 Beamte waren den Angaben zufolge am Samstag bei drei Kundgebungen in der bayerischen Landeshauptstadt im Einsatz. Die größte davon wurde von der Polizei in der Nähe des bayerischen Landtags aufgelöst, weil »der überwiegende Teil dieser Personen (...) die vorgegebenen Auflagen, wie eine Maskentragepflicht und ausreichende Abstände zueinander nicht« eingehalten habe. Statt der angemeldeten 500 waren laut Polizei rund 2500 Menschen zu der Protestaktion unter dem Motto »Ein Jahr Lockdown-Politik - es reicht« gekommen. Auch vor Parlamenten in andern deutschen Städten hatte es am Samstag Demonstrationen unter diesen Schlagworten gegeben.

Eine Versammlung am Münchner Königsplatz konnte nach Polizeiangaben gar nicht erst beginnen, weil die maximal erlaubte Teilnehmerzahl schon vor dem Start überschritten wurde. Am Marienplatz wurde eine Demonstration ebenfalls wegen zu vieler Teilnehmer vorzeitig beendet.

Auch in mehreren Städten Mecklenburg-Vorpommerns haben Kritiker der Corona-Schutzmaßnahmen für ein Ende der seit Monaten geltenden Einschränkungen demonstriert. Die größte Veranstaltung fand laut Polizei am Samstag in Rostock statt. Dort versammelten sich am Nachmittag im Anschluss an drei Auto-Korsos durch die Stadt nach Behördenangaben rund 750 Menschen auf dem Neuen Markt, um ein Ende des Lockdowns zu fordern. Gegen eine Reihe von Demonstrationsteilnehmern seien Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden. Hauptgrund sei das Nichttragen von Schutzmasken gewesen, sagte ein Polizeisprecher.

Die Initiatoren waren zuvor mit dem Versuch gescheitert, per Eilantrag die von der Stadt Rostock angeordneten Auflagen zum Tragen von Masken und zum Führen einer Teilnehmerliste aussetzen zu lassen. Das Verwaltungsgericht Schwerin lehnte dies ab.

In Nordrhein-Westfalen demonstrierten am Samstag zahlreiche Menschen in der Landeshauptstadt Düsseldorf. Auch dort seien mehrere Demonstranten in Gewahrsam genommen worden, es seien auch Strafanzeigen erstattet worden, sagte eine Polizeisprecherin am Sonntag. Demonstranten hätten trotz Einsatz von berittener Polizei Absperrungen durchbrochen, berichtete ein dpa-Fotoreporter.

Die Polizei habe Mühe gehabt, die Lage und die aggressive Stimmung unter Kontrolle zu halten. Am Düsseldorfer Landtag waren nach Polizeiangaben statt der angemeldeten 500 rund 2000 Menschen zusammengekommen, um gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu demonstrieren. dpa/nd

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal