nd-aktuell.de / 19.03.2021 / Politik / Seite 5

Tödliche Route in die USA

Kubanische Bootsflüchtlinge in Meerenge von Florida verunglückt

Andreas Knobloch, Havanna

»Unter Berücksichtigung der Zeit, die seit dem Unglück vergangen ist, werden die Suchaktionen abgeschlossen. Die Familien der Verschwundenen wurden darüber informiert«, schrieb das kubanische Innenministerium in einer am Sonntagabend veröffentlichten Erklärung. An der Suche nach vermissten Bootsflüchtlingen in kubanischen Gewässern vor der Nordküste der Insel hatten sich Luftwaffe und Küstenwache sowie Fischer-, Tourismus- und private Boote beteiligt.

Am 2. März hatte ein Schnellboot mit rund 20 Personen an Bord in der Provinz Villa Clara abgelegt und und zunächst ein unbewohntes Inselchen auf den Bahamas angesteuert. Das Schiffsunglück ereignete sich zwei Tage später, als ein anderes Boot die Flüchtlinge abholte, um sie in die USA zu bringen. Drei Seemeilen vor Cayo Sal (Bahamas) kenterte das Schiff. Mehr als 14 Stunden verbrachten die Menschen im Wasser, ehe die bahamaische Küstenwache zwölf Überlebende und eine Leiche barg. Mindesten sieben Menschen gelten seither als vermisst.

Seit US-Präsident Barack Obama mit einer seiner letzten Amtsentscheidungen die »Wet foot, dry foot«-Politik aufgehoben hatte, wonach kubanische Einwanderer dauerhaftes Bleiberecht erhielten, sobald sie »trockenen Fußes« in die USA gelangten, war die Zahl der kubanischen Bootsflüchtlinge auf fast Null gesunken. Angesichts der sich verschärfenden wirtschaftlichen Lage auf der Insel versuchen nun aber wieder vermehrt Kubaner*innen, auf dem gefährlichen Weg über die Meerenge von Florida in die USA zu gelangen. Mehr als 100 Personen aus Kuba seien seit letztem Oktober auf See abgefangen worden, erklärte die US-Küstenwache Ende Februar.

Die kubanische Regierung macht die »irreguläre Migration« für die Schiffstragödie verantwortlich, für die sie der US-Regierung eine Mitschuld gibt. »Zu den Faktoren, die Anreize für irreguläre Migration darstellen, gehört die Aussetzung der Bearbeitung und Erteilung von Einwanderungs- und Besuchsvisa im US-Konsulat in Havanna und die Übertragung dieser Verfahren auf Drittländer«, schrieb das kubanische Außenministerium in einer in staatlichen Medien verbreiteten Erklärung. Zudem befördere die weiter bestehende US-amerikanische Vorzugsbehandlung für kubanische Migranten in Form des Cuban Adjustment Act die irreguläre Migration. Mit dem 1966 verabschiedeten Gesetz gewähren die USA allen Flüchtlingen aus Kuba Asyl. Washington halte sich auch »nicht an die Verpflichtung, eine legale Migration von mindestens 20 000 Kubanern pro Jahr aus Kuba in die USA zu gewährleisten«, so das kubanische Außenamt weiter.

Diese Verpflichtung war die damalige Regierung William Clinton eingegangen, als während der Balsero-Krise 1994 rund 30 000 Menschen die Insel auf selbstgebauten Booten und Flößen Richtung USA verließen. Die neue US-Regierung solle die im Januar 2017 vom damaligen US-Präsidenten Barack Obama gemachten Zusagen einer geordneten Migration einhalten, so Havanna.

Die Regierung Donald Trump hatte unter dem Vorwand angeblicher Schall-Attacken gegen US-Diplomaten einen Großteil des Botschaftspersonals aus Havanna abgezogen und die Konsularabteilung geschlossen. Für ein Besuchsvisa müssen Kubaner*innen seitdem in ein Drittland reisen. Laut Zahlen des US-Außenministeriums vom November warten allein rund 80 000 auf ein Visum zur Familienzusammenführung.

Mit dem Amtsantritt Joe Bidens waren auf der Insel große Hoffnungen verbunden. Doch nach zwei Monaten im Amt hat die Biden-Regierung weiterhin keine Entspannungsschritte unternommen. Vielmehr verlängerte der US-Präsident in einer seiner ersten außenpolitischen Maßnahmen gegenüber Kuba die 1996 als Teil des Helms-Burton-Gesetzes genehmigte Dringlichkeitserklärung um ein weiteres Jahr bis 2022. Die Regelung verhindert die Einreise von in den USA registrierten Schiffen in kubanische Hoheitsgewässer.

Vor wenigen Tagen dann dämpfte die neue US-Regierung Erwartungen an eine Änderung der Kuba-Politik. »Eine Wende in der Politik gegenüber Kuba gehört nicht zu den obersten Prioritäten des Präsidenten, aber wir setzen uns dafür ein, die Menschenrechte zu einer grundlegenden Säule der US-Politik zu machen«, sagte Bidens Sprecherin, Jen Psaki. Die US-Kuba-Politik bleibt also auch unter Biden abhängig von Florida.