nd-aktuell.de / 26.03.2021 / Politik / Seite 6

Krieg im Jemen mit Hilfe aus Deutschland

Zwei Jemeniten klagen vor dem Bundesverfassungsgericht, weil ihre Familien Opfer von Drohnenangriffen wurden

Roland Etzel

Deutschland muss sich seit dieser Woche mit einer Verfassungsbeschwerde zweier jemenitischer Staatsbürger auseinandersetzen. Das Geschehen, um das es geht, liegt mittlerweile neun Jahre zurück, also noch vor dem Ausbruch des aktuellen Krieges zwischen dem Clan der Huthis und der von ihnen gestürzten Regierung. Die US-Administration unter dem Präsidenten Barack Obama flog zu jener Zeit immer wieder Luftangriffe mit Drohnen mit der Begründung, auf diese Weise Terroristen auszuschalten: in Afghanistan, Irak, Somalia und eben auch in Jemen. Eine völkerrechtliche Legitimation dafür gab es damals nicht und heute nicht. Das Pentagon hat sich darob nie geschert und auch die Nato-Verbündeten nicht. Gegenüber der Öffentlichkeit glaubte man, die tödlichen Drohneneinsätze mit dem erforderlichen »Krieg gegen den Terror« hinreichend rechtfertigen zu können.

Die Art, in der Deutschland darin mittelbar verwickelt ist, hat einen Namen: Ramstein. Von der dort befindlichen Luftwaffenbasis in Rheinland-Pfalz, Hauptquartier der US Air Force in Europa, wird der Drohnenkrieg im Nahen und Mittleren Osten gesteuert. Man könnte auch sagen: Ohne Ramstein im Landkreis Kaiserslautern kein Drohnentod in der jemenitischen Wüste.

Einmal abgesehen davon, dass auch extra-legale Hinrichtungen durch das Völkerrecht verboten sind: dass bei Drohnenattacken aus teilweise großer Höhe ausschließlich die vermeintlichen Terroristen getroffen werden, versuchen die Militärs nicht einmal zu behaupten. Die Tötung von Zivilisten und anderer unschuldiger Personen durch Drohnenangriffe, von Sachschäden gar nicht zu reden, wird einfach billigend in Kauf genommen. Die USA zogen sich stets auf den Standpunkt zurück, von zivilen Opfern wisse man nichts, und die Verbündeten wie Deutschland übernahmen diese Position des Nichtwissenwollens bereitwillig. Außerdem zog man sich in Berlin gern auf den Standpunkt zurück, dass Deutschland die Sache ja auch nichts anginge. Und schließlich: Wo kein Kläger, da kein Richter.

Nun gibt es diese Kläger aber und das schon geraume Zeit. Ahmed und Khalid bin Ali Jabir haben die deutsche Gerichtsbarkeit angerufen und klagen, weil sie bei einer Drohnenattacke ihre Familienmitglieder Salim und Walid bin Ali Jabir verloren haben, nach ihren Angaben geschehen nahe des jemenitischen Ortes Khashamir im Jahre 2012. Allein hätten sie das kaum vermocht, aber sie werden juristisch unterstützt von einer deutschen Nichtregierungsorganisation, dem Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR). Das ECCHR wurde 2007 von dem Berliner Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck gegründet und befasst sich häufig mit Fragen des internationalen Rechts für Personen, die sonst kaum die Möglichkeit hätten, gegenüber fremden Staaten und Körperschaften ihre Anliegen vorbringen zu können.

Trotz der kompetenten juristischen Hilfe war der Klage der lange und mühselige Weg durch die deutschen Rechtsinstanzen nicht erspart geblieben. Aber es ging wenigstens voran. Das Oberverwaltungsgericht Münster befand schließlich 2019: Die Bundesregierung habe die Pflicht, auf die US-Regierung einzuwirken, dass mit von Ramstein aus gesteuerten Drohnenangriffen nicht gegen das Völkerrecht verstoßen werde; im konkreten Falle dürfe den Familien der klagenden jemenitischen Bürger kein weiteres Unheil durch über Ramstein geführte Drohnen drohen.

Was immer dieser sibyllinische Spruch zur Folge gehabt hätte, ist unklar, da die höhere Instanz, das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, das Urteil aus Münster kassierte. Die reichlich rätselhafte Begründung lautete: Die Bundesregierung unternehme auf diplomatischem Wege bereits genügend in dieser Frage. Deutschland müsse die Drohnenangriffe nicht kontrollieren. Ob diese überhaupt vom Völkerrecht gedeckt seien, dazu findet sich in dem Richterspruch nichts.

Die beiden Jemeniten und das ECCHR gaben sich damit aber nicht zufrieden und haben dagegen Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Begründung: Das Recht des Schutzes des Lebens der Beschwerdeführer werde durch den Spruch des Bundesverwaltungsgerichts verletzt. Karlsruhe bestätigte inzwischen den Eingang der Beschwerde. Wann sie verhandelt wird, ist indes ungewiss. Das kann, wie man weiß, auch Jahre dauern. Kommentar Seite 8