nd-aktuell.de / 27.03.2021 / nd-Commune / Seite 42

Ein Meister des feinen Dialogs

Wolfgang Kohlhaase zählt zu den besten Drehbuchautoren des deutschen Films

Jana Heyden

Am 13. März wurde Wolfgang Kohlhaase 90 Jahre alt. Zu diesem Anlass erschien eine Jubiläumsedition. Insgesamt zwölf DVDs sind in der Box enthalten, mit jeweils einem Defa-Film unter Mitwirkung von Kohlhaase aus der Zeit von 1953 bis 1988: »Die Störenfriede« (1953), sein erstes verfilmtes Drehbuch; »Alarm im Zirkus« (1954), eine kreative Zusammenarbeit mit dem Regisseur Gerhard Klein; »Eine Berliner Romanze« (1956); »Berlin - Ecke Schönhauser« (1957), einer der wichtigsten Defa-Filme der 50er Jahre; »Der Fall Gleiwitz« (1961); »Berlin um die Ecke« (1965/66, 1990); »Ich war neunzehn« (1967) mit dem Regisseur Konrad Wolf; »Der nackte Mann auf dem Sportplatz« (1973); »Mama, ich lebe« (1976); »Solo Sunny« (1979); »Der Aufenthalt« (1982) sowie »Der Bruch« (1988). Alle zwölf Filme sind zusätzlich mit umfangreichem Bonusmaterial ausgestattet.

Das erst kürzlich erschienene Buch »Um die Ecke in die Welt« von Wolfgang Kohlhaase und Günther Agde (Herausgeber) ist ebenfalls in der Edition enthalten. Das Buch, in dem Kohlhaase über die Leute erzählt, die seinen Weg kreuzten oder mit denen er an wichtigen Filmen arbeitete, gibt tiefe Einsichten, teilt genaue Beobachtungen mit und liefert manch hintergründig-komische Anekdote. Ein Booklet mit einem Essay von Regine Sylvester sowie einer Filmografie von Ralf Schenk runden die Jubiläumsedition ab. Bei uns im nd-Shop für 90 Euro erhältlich.

Der Drehbuchautor, Regisseur und Schriftsteller Wolfgang Kohlhaase ist einer der bekanntesten und erfolgreichsten Drehbuchautoren der deutschen Filmgeschichte. Seine Drehbücher wurden von wichtigen deutschen Regisseuren verfilmt: Konrad Wolf, Frank Beyer, Volker Schlöndorff, Bernhard Wicki, Andreas Dresen. Die Filme, die er schrieb, haben den ostdeutschen Teil des deutschen Nachkriegskinos wesentlich geprägt.

Geboren 1931 in Berlin, entdeckte Kohlhaase schon während der Schulzeit das Schreiben für sich. Er begann in den Trümmern und Wirren der unmittelbaren Nachkriegszeit in Berlin als Volontär und Redakteur bei der Jugendzeitschrift »Start«, danach schrieb er für die »Junge Welt«. 1950 war er Dramaturgie-Assistent im Defa-Studio. Seit 1952 ist Kohlhaase freischaffender Drehbuchautor und Schriftsteller. Insgesamt hat er Drehbücher für mehr als 30 Spielfilme geschrieben. Viele seiner Filme spielen in Berlin. Er schrieb über die jungen Leute in der Stadt nach dem Krieg - über seine Generation. Auch seine Filme über Faschismus und Krieg handeln von einfachen Leuten in schwierigen Konflikten.

Wolfgang Kohlhaases Drehbücher zeichnen sich durch Lebensnähe aus. Der Autor beobachtet genau, zeigt in den gelungensten Fällen ungeschminkte, authentische Wirklichkeit. Mitte der 60er Jahre wurden in DDR etliche Filme nicht aufgeführt, darunter auch Kohlhaases »Berlin um die Ecke«.

Kreative Arbeitsfreundschaften verbanden ihn mit Gerhard Klein, Konrad Wolf und Frank Beyer. Daraus entstanden einige der besten Defa-Spielfilme, die in der vorgestellten Jubiläumsbox zu finden sind. Die gemeinsame Arbeit brachte mehrere international prämierte Spielfilme hervor, darunter »Ich war neunzehn« und »Solo Sunny«.

Nach dem Ende der DDR schrieb Kohlhaase weiter. Er wurde mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Lubitsch-Preis, der Goldene Ehrenbär, der Deutsche Filmpreis. Seit 1970 ist Kohlhaase Mitglied im Deutschen Schriftstellerverband (PEN-Zentrum Deutschland), 1972 wurde er Mitglied der Akademie der Künste der DDR. 1991 ist er in die Akademie der Künste Berlin-Brandenburg aufgenommen worden. Der Verband deutscher Drehbuchautoren (VDD) ernannte ihn auf der Berlinale 2011 zum Ehrenmitglied. Er sei - nein, er ist einer der besten Drehbuchautoren des deutschen Kinos, ein geübter Beobachter und Meister des feinen Dialogs mit Witz, Humor und Weisheit!