Ruf nach dem Rechtsstaat

Daniel Lücking fordert, die Arbeit von Julian Assange als kritischen Journalismus anzuerkennen

Am 11. April 2021 ist es zwei Jahre her, dass das Asyl, das Ecuador dem australischen Journalisten Julian Assange in der Botschaft in London gewährt hatte, beendet wurde. Zwei Jahre, in denen Assange im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh festgehalten wird, ohne dass es einen Gerichtsprozess gegeben hätte, der eine derartige Haftstrafe rechtfertigen könnte. Die Lebensbedingungen in der Botschaft bedeuteten bereits eine Freiheitseinschränkung, über deren Intensität sicherlich gestritten werden kann. Doch spätestens mit der Unterbringung in Belmarsh und nach Verbüssung der 50 Wochen Haftstrafe wegen Verstoßes gegen Kautionsauflagen, kann nüchtern konstatiert werden: Hier sitzt ein Mensch ohne Anklage und Verurteilung in Haft.

Die Behauptung, Assange habe mit seiner sogenannten Flucht in die Botschaft Kautionsauflagen verletzt, trägt längst nicht mehr. Assange fürchtete damals, von Geheimdiensten der USA verschleppt zu werden, wie dies weltweit üblich war, viel zu oft passierte und viel zu oft geduldet wurde. Er blieb im Land, wenn auch auf einem kleinen Teil, der juristisch zu Ecuador gehört. Ein diplomatisches Konstrukt, das aber an der Tatsache nichts ändert, dass Julian Assange niemals untergetaucht ist. Er zeigte sich offen, sich den Anschuldigungen in einem gerichtlichen Verfahren zu stellen, die nie ernsthaft verfolgt und letztlich fallen gelassen wurden.

Doch die Rechtssysteme von mittlerweile vier Staaten zeigen, dass es ihnen nicht um Rechtsprechung geht. Das US-System ignoriert, dass Assange als Journalist agierte, wie viele weitere Journalisten in den USA, Großbritannien und Deutschland, die über die selbe Thematik berichteten, aber nicht angeklagt werden sollen.

Das australische Rechtssystem entscheidet sich offenbar, einem Staatsbürger nicht beizustehen. An Widersprüchlichkeit nicht zu überbieten ist das britische Rechtssystem, das eine Lebensgefahr für Assange attestiert, sollte dieser in ein US-Hochsicherheitsgefängnis überstellt werden, aber zeitgleich die Haftbedingungen in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis als unbedenklich deklariert.

Auch Deutschland agiert in der Frage der Pressefreiheit und im Fall Assange mit maximalem Desinteresse, statt darauf zu drängen, dessen Arbeit als Journalismus anzuerkennen. Damit würden auch deutsche Journalist*innen geschützt, denen die selbe Anklage drohen würde, weil sie Kriegsverbrechen als solche aufgedeckt und benannt haben, wie es die Aufgabe kritischer, unabhängiger Medien ist.

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