Wundertäter

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 2 Min.

Er spricht nicht viel - aber wenn, dann haben es seine Sätze in sich. Mit einem trockenen »Koste es, was es wolle!« rettete Mario Draghi als Chef der Europäischen Zentralbank 2012 den Euro, den die Spekulanten unter Beschuss hielten. Und mit dem Satz »Er ist ein Diktator, aber wir brauchen ihn« machte er nach dem Besuch der EU-Spitze in Ankara klar, was er vom türkischen Staatschef hält. Zur Strafe musste Italiens Botschafter im türkischen Außenministerium antanzen.

Der Mann, der 1947 in Rom geboren wurde, spielt in einer eigenen Liga - im Guten wie im Bösen. In Biografien wird Draghi als »Wirtschaftsgelehrter, Bankier, Professor, Staatsdiener und Politiker« bezeichnet. Er arbeitete in Italien, England, Brüssel und den USA, war einige Jahre einer der Chefs der berüchtigten Investmentbank Goldman Sachs, Berater des US-Präsidenten Barack Obama, Gouverneur der italienischen Zentralbank ... Die Etappen seiner Karriere auch nur stichwortartig aufzuführen, würde Seiten füllen - ebenso wie seine Ehrendoktorwürden und Auszeichnungen (darunter der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland). Bei Goldman Sachs verdiente er zehn Millionen Euro pro Jahr, aber als er seinen Dienst bei der italienischen Zentralbank antrat, hat er erst einmal sein eigenes Gehalt halbiert.

Bei alledem ist Draghi irgendwie unauffällig, fast anonym. Er ist katholisch, seit fast 50 Jahren mit derselben Frau verheiratet, von der er sagt, dass sie viel klüger sei als er, hat zwei erwachsene Söhne, eine Stadtwohnung in Rom und ein Landhaus in Umbrien, ist Fan des Fußballteams AS Rom, schreibt nicht auf Twitter, raucht nicht, trinkt in Maßen und scheint auch sonst keine Laster zu haben. Ein absolut langweiliger Wunderknabe, der nur drei Stunden pro Nacht schläft.

Und trotzdem nennt man ihn »Super Mario«,wie die Comicfigur, und in Italien sind viele davon überzeugt, dass es für ihn ein Leichtes wäre, das Meer zu teilen oder über Wasser zu wandeln.

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