Militärisch kooperieren im Indopazifik

Vertreter Deutschlands und Japans berieten über die Zukunft einer ganzen Region

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

In Japan anrufen - diesen Eintrag hatten am Dienstag sowohl Außenminister Heiko Maas (SPD) als auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) im Kalender. Beide waren mit ihren jeweiligen Amtskollegen Außenminister Toshimitsu Motegi und Verteidigungsminister Nobuo Kishi zu sogenannten Zwei-plus-zwei-Konsultationen verabredet. Obwohl man sich ob der Corona-Pandemie nicht persönlich treffen könne, zeige das Format doch »unsere engen und vertrauensvollen Beziehungen mit Japan«, erklärte das deutsche Außenamt am Montag. Handfeste Ergebnisse erwartete man nicht, eine Pressekonferenz war nicht geplant.

Der Mangel an Informationslust ist zumindest auf deutscher Seite nicht verwunderlich, denn die deutsche Asien-Politik ist seit jeher ein Lauf übers Drahtseil. Dass es kaum historische Momente in den bilateralen Beziehungen gibt, an die man anknüpfen könnte, macht die Konsultationen nicht einfacher. Oder sollte Kramp-Karrenbauer ihren Kollegen Kishi daran erinnert haben, dass es ein deutscher Generalmajor war, der - abgesandt von Reichskanzler Otto von Bismarck - das japanische Offizierskorps auf Vordermann brachte? Kaum. Im Ersten Weltkrieg standen sich das deutsche und das japanische Kaiserreich dennoch feindlich gegenüber. Im Vertrag von Versailles wurden Japan die Rechte über die deutsche Kolonie Tsingtau in China und andere Gebiete zugesprochen. 1936 dann eine üble Wende: Berlin und Tokio schlossen den Anti-Komintern-Pakt. Die Hoffnung des Hitler-Regimes, Japan möge nicht nur China unterjochen, sondern auch die Sowjetunion angreifen, erfüllte sich indes nicht. Auch der 1940 zwischen Deutschland, Italien und dem japanischen Kaiserreich geschlossene Achsenvertrag hat den Beteiligten auf ihren unterschiedlichen Wegen zu brutaler Weltherrschaft wenig genutzt.

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Man sollte meinen, beim aktuellen Kampf um mehr Einfluss in der Welt ließen sich geografische und politische Entfernungen leichter überbrücken. Dass Japan sich nur allzu gern auf die Seite der USA stellt, wenn es darum geht, Chinas Expansion zu bremsen, ist klar. Doch nach den Erfahrungen mit US-Präsident Donald Trump möchte man in Tokio lieber mehr und verlässliche Verbündete an seiner Seite haben. Ist Kramp-Karrenbauer dabei die richtige Ansprechpartnerin? Die Ministerin hat schon vor Monaten zugesagt, dass Deutschland im August eine Fregatte nach Asien entsendet. So wie Frankreich, das bereits im Mai die Leinen los macht. Die Schiffe sollen an gemeinsamen Übungen mit Einheiten der japanischen Selbstverteidigungskräfte und der US-Navy teilnehmen. Auf der Rückreise nimmt der deutsche Kommandant befehlsgemäß einen Umweg durch das Südchinesische Meer, um bei sogenannten Navigationsfreiheitsoperationen Flagge zu zeigen. Militärisch unbedeutend, ist das dennoch hochriskant. Einen derart unfreundlichen Akt gegenüber China, das seinerseits immense territoriale Forderungen in diesem Gebiet stellt, hat es seit 2002 nicht mehr gegeben. Und wie stellt sich Berlin zu den territorialen Streitigkeiten, in die Japan verwickelt ist? Nicht nur gegenüber Russland erhebt Tokio Gebietsforderungen. Umgekehrt werden die japanisch kontrollierten Senkaku-Inseln von Peking beansprucht. Die USA haben sich in der Frage schon auf Japans Seite geschlagen.

Japan sei »ein zentraler Wertepartner Deutschlands für Multilateralismus, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte«, betonte Maas. In einem am Dienstag veröffentlichten, namentlich gezeichneten Artikel für das »Handelsblatt« schrieb er: »Die weltpolitische Zukunft spielt in Asien.« Und bekräftigte: »Wenn wir nicht aktiver werden, dann schreiben andere die Regeln der Zukunft.« Zu lange habe man den Aufstieg Asiens nur durch die Brille wirtschaftlicher Chancen gesehen, doch gebe es eben auch ein Asien »mit immer schärferen Nationalismen, Territorialkonflikten, Rüstungswettläufen und der chinesisch-amerikanischen Rivalität«. Neue Kalte Kriege oder gar heiße Konflikte im Indopazifik wären »ein wirtschaftlicher und politischer Albtraum«, sagt Maas und wirbt dafür, dass die EU engagierter gegen Polarisierung und für einen inklusiven, regelbasierten Indopazifik eintritt. Von diesem Raum zwischen afrikanischer Ostküste und amerikanischer Westküste hänge die Zukunft der Welt ab.

Maas verteidigt auch die Entsendung der deutschen Fregatte. Deren Fahrt in politisch verminte Gewässer soll offenbar kein Einzelfall bleiben. Demnächst wolle man dem Abkommen zum Kampf gegen Piraterie in Asien beitreten.

Im Verteidigungsministerium will man aber offenbar noch viel mehr. Man erwähnt Pläne einer deutsch-japanischen Überwachung des UN-Waffenembargos gegen Nordkorea. Etwas kryptisch spricht die Verteidigungsministerin zudem von einem neuen Geheimschutzabkommen, mit dem die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste, aber auch bei Rüstung, Technologie und Cybersicherheit verbessert werden könne.

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