Kaiserschnitt-Geburt: Arzthaftung begrenzt

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Es liegt nicht automatisch ein Organisationsverschulden der Klinik vor, wenn nachts zunächst nur eine Oberärztin, ein Assistenzarzt und eine Hebamme als Geburtshelfer zuständig sind, so der Bundesgerichtshof (Az. VI ZR 60/20) in einem am 10. März 2021 veröffentlichten Urteil. Bei einem Tod der Frau müssen die Angehörigen für eine Arzthaftung belegen, dass eine unzureichende ärztliche Betreuung tatsächlich auf fehlendes Personal zurückzuführen ist, so die BGH-Richter.

Im konkreten Fall ging es um den Tod einer werdenden Mutter in einer westfälischen katholischen Frauenklinik. Mit dem Beginn der Geburt wünschte sie nachts einen Kaiserschnitt. Dem kamen die Ärzte nach einem Aufklärungsgespräch nach. Doch mit der Geburt traten massive Blutungen bei der Mutter auf, die die Oberärztin und der Assistenzarzt nicht stoppen konnten. Zwischenzeitlich musste die Oberärztin für eine Viertelstunde eine weitere Risikogeburt betreuen. Auch der später hinzugezogene Chefarzt sowie ein Gefäßchirurg konnten den Tod der Frau nicht verhindern.

Der Ehemann und die beiden hinterbliebenen Kinder verlangten eine Entschädigung unter anderem für Unterhalt sowie Schmerzensgeld.

Das Oberlandesgericht Hamm als Vorinstanz gab ihnen Recht. Gerade bei einem medizinisch nicht erforderlichen Wunsch-Kaiserschnitt, insbesondere ab Geburtsbeginn, müssten alle personellen und organisatorischen Ressourcen sichergestellt sein, befand das Gericht. Hier habe die Oberärztin für 14 Minuten sogar eine weitere Risikogeburt betreut. Weitere Ärzte seien erst später hinzugezogen worden.

Doch das reicht für eine Arzthaftung nicht aus, urteilte der BGH, der das Verfahren an das OLG zurückverwies. Nachts, außerhalb der Kernarbeitszeit, müssten nicht sämtliche personelle und organisatorische Ressourcen bereitstehen, so das Gericht.

Zudem sei nicht klar, worin genau der Behandlungsfehler bestand. Nur weil eine Oberärztin, ein Assistenzarzt und eine Hebamme zunächst die Schwangere betreut hatten, belege das noch nicht, dass mit mehr Fachpersonal der Tod hätte verhindert werden können. Es komme für ein Organisationsverschulden der Klinik nicht darauf an, ob von vorn herein weitere Ärzte bereitstanden, sondern vielmehr, wie schnell das Geburtshelferteam verstärkt werden konnte, so der BGH.

Auch könne den Ärzten nach den bisherigen Feststellungen nicht vorgeworfen werden, dass sie auf den Kaiserschnitt-Wunsch der Frau eingegangen sind. Das sei zulässig, außer wenn medizinische Gründe dem entgegengestanden hätten. epd/nd

Im Urlaub erkrankt: Kein Arbeitslosengeld?

Das Jobcenter genehmigte einem arbeitslosen Mann eine Reise in die Türkei. Am vorletzten Urlaubstag rief der Mann im Jobcenter an und teilte mit, dass er erkrankt sei und nicht nach Hause fahren könne. Das Jobcenter strich ihm daraufhin das Arbeitslosengeld nach Rückkehr - trotz einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines türkischen Arztes.

Das Jobcenter argumentierte, dass der Mann fortan nicht erreichbar gewesen sei und somit für die Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden habe. Wenn ein Leistungsempfänger während einer Reise krank werde, ende die Zahlung des Arbeitslosengeldes mit Ablauf der genehmigten Abwesenheit - außer, der Arbeitslose befinde sich im Krankenhaus, so das Jobcenter.

Gegen die Sanktion setzte sich der Arbeitslose zur Wehr: Schließlich sei er im fraglichen Zeitraum arbeitsunfähiggewesen und habe dies auch lückenlos nachgewiesen.

Das Sozialgericht Stuttgart (Az. S 3 AL 3965/19) entschied zu Gunsten des Arbeitslosen. Das Jobcenter dürfe einen Arbeitslosen, der während einer genehmigten Reise erkranke, nicht schlechter stellen als einen Arbeitslosen, der zu Hause arbeitsunfähig werde.

Prinzipiell seien Arbeitslose verpflichtet, sich am Wohnort aufzuhalten. Nur so sei gewährleistet, dass das Jobcenter sie jederzeit vermitteln könne, wenn sich eine Arbeitsstelle finde. Wer aber krank sei, könne ohnehin keine neue Stelle antreten - weder am Wohnort noch an einem anderen Ort. Anders als gesunde Arbeitslose müssten daher arbeitsunfähige Arbeitslose nicht ständig erreichbar sein und sich in der Nähe der »Agentur für Arbeit« aufhalten. Für den Zeitraum einer belegten Arbeitsunfähigkeit im Ausland stehe dem Kläger Arbeitslosengeld zu, auch wenn er nicht im Krankenhaus behandelt worden sei. OnlineUrteile.de

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