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Keiner wollte für das Archiv produzieren

Zwischen Ideologie und Anspruch: Die Filmpolitik der Defa von der DDR-Gründung bis zum Mauerbau

  • Günter Agde
  • Lesedauer: 6 Min.

Neuer Wein in alten Schläuchen» - so charakterisierte t Kurt Maetzig, Mitbegründer der Defa und einer ihrer wichtigsten Regisseure, die Defa-Spielfilme der ersten anderthalb Jahrzehnte. Neue Inhalte in überkommenen ästhetischen Formen, die aus der konventionell-harmonisierenden Bildsprache der Ufa stammten. Auch im Abstand von heute kann diese lakonische Beschreibung gelten.

Der frühe Antifaschismus der Defa

Die Defa, die Monopolfilmproduktionsfirma der DDR, produzierte ca. 17 Spielfilme pro Jahr. Die filmische Auseinandersetzung mit dem Faschismus bildete das bestimmende Themenfeld, dessen filmische Bearbeitung blieb ihr wesentlicher Auftrag. Solche Filme bildeten die Kernfelder der Produktion: Die ersten Filme «Die Mörder sind unter uns» (1946, Wolfgang Staudte) und «Ehe im Schatten» (1947, Kurt Maetzig) stehen für den Beginn dieser Tradition. Es folgten zahlreiche weitere Filme zu dieser Thematik. Sukzessive wandelten sich dann diese Streifen zur Geschichtsbebilderung, wie in «Ernst Thälmann» (1956, Kurt Maetzig), einer zweiteiligen monumentalen (und teuren) Biographie des KPD-Führers.

Die Filme gestalteten aufklärerische Thesen, formulierten sie freilich zunehmend appellativ und mit blankem Pathos. Manchmal hantierten sie auch mit derben ästhetischen Mitteln, was alles ihre Überzeugungskraft einschränkte. Insgesamt freilich haben die Defa-Filme mit ihren Mitteln die Diskussionen über Faschismus und Nationalsozialismus erheblich erweitert.

Dazwischen verband sich die filmische Faschismusauseinandersetzung mit heftigen Attacken auf neofaschistische Erscheinungen in der BRD. Man sah eine Refaschisierung, die - verbunden mit der Remilitarisierung - die Gefahr eines neuen Krieges heraufbeschwor, z.B. in dem Polit-Drama «Rat der Götter» (1950, Kurt Maetzig) und dem Pamphlet «Das verurteilte Dorf» (1952, Martin Hellberg), auch in einigen Kriminalfilmen. Der Kalte Krieg führte auch in Defa-Filmen zu Vergröberungen und Übertreibungen. Historische Dokumente bleiben diese Filme allemal.

Das erste Filmverbot

Im Film «Das Beil von Wandsbek» (1951) gestaltete Falk Harnack die Geschichte eines Hamburger Metzgers, der 1934 in Hamburg aus Existenzsorgen zum Henker der Nazis wird. Romanautor Arnold Zweig und der Film (noch mit einem gesamtdeutschen Darstellerensemble realisiert) versuchten, mit psychologischen Mitteln dem Innenleben des Faschismus auf die Spur zu kommen. Dem Film wurde Mitleid mit dem Henker vorgeworfen, also wurde er nach kurzer Laufzeit verboten. Einwände von Arnold Zweig und Hauptdarsteller Erwin Geschonneck wurden ignoriert und der Film erst 1981 wieder zugelassen.

Hier zeigten sich die Grenzen des frühen Antifaschismus. Sie markierten den Abschied von differenzierter Faschismusauseinandersetzung und den forcierten Übergang zu Heroisierung und zu Vereinseitigung nur auf den kommunistischen Widerstand, die fortan lange Zeit die Gestaltung dieser Thematik bestimmten (und schließlich zur Unglaubwürdigkeit bei den Zuschauern beitrug). «Nackt unter Wölfen», erst 1960 von Georg Leopold in einer eher farblosen Version des Fernsehens, das sich sehr langsam zum Konkurrenten des Kinos herausbildete, und dann 1963 von Frank Beyer ungleich eindrucksvoller, auch pathetischer, dennoch mit psychologischem Reichtum durchgezeichnet. Auch «Stärker als die Nacht» (1954, Slatan Dudow) und die «Thälmann»-Filme gehören hierzu. Der Film «Betrogen bis zum jüngsten Tag» (1957, Kurt Jung-Alsen) unterlief diese Tendenzen, indem er sich auf Einfachheit und Klarheit der Fabelführung besann. Diese schwierigen Ambivalenzen durchzogen die Defa-Produktionen über Jahrzehnte.

In «Sonnensucher» (1958) gestaltete Konrad Wolf heftige Widersprüche zwischen Deutschen und Russen in einem Bergwerk im Nachkriegs-Ostdeutschland, in dem sowjetische Besatzungsoffiziere, ehemalige Nazis, Abenteurer, Zwangsverpflichtete und Entwurzelte aufeinandertreffen. Der Film wurde verboten, nachdem der sowjetische Botschafter Einspruch erhoben hatte. Der Film handelt vom Uranerzabbau in der Wismut, es wurde Uran für die sowjetische Atomrüstung gebraucht, was die offizielle Abrüstungspolitik der Sowjetunion konterkarierte. Diese Intervention blieb der einzige direkte Eingriff der Sowjetunion in die DDR-Filmproduktion.

Themen der Zeit

Schon früh begann die Defa, Filme zu produzieren, die eine nicht-militaristische, nicht-faschistische, nicht-kapitalistische Ordnung des Gemeinwesens proklamierten. «Freies Land» (1946, Milo Harbich) machte den Vorschlag, dass sich landarme Neubauern zusammentun sollten, um Produktionsmittel besser und vor allem von allen nutzen zu können. In den besten Fällen verband sich dieser moralische Optimismus mit der Sehnsucht nach Harmonie im Alltag. Das zeigte sich vor allem in den Frauenbildern: Slatan Dudows «Frauenschicksale» (1952) und als komische Variante «Vergeßt mir meine Traudl nicht» (1957, Kurt Maetzig) waren auf ein glückliches Ende, meist die Ehe, aus. Diese Filme waren nicht frei von Romantisierungen und Kitsch. Da deutete sich die allmähliche Verschiebung von der Utopie zur Illusion an, Wunschbilder schoben sich immer mehr vor die Realität.

Kurt Maetzig hat mit dem zweiteiligen Film «Schlösser und Katen» (1957) diese Tendenz weitergeführt und modernisiert. Zugleich wich der Film den wirklichen Widersprüchen im Land nicht aus: Bedrängnis und Unzufriedenheit der Bauern mit der Kollektivierung (inklusive der ersten realistischen Darstellung des 17. Juni 1953).

Oft verbanden Filme dieser Art antifaschistische Themen mit zeitgenössischen Vorgängen - sie holten sich aus dem antifaschistischen Kampf die moralische Berechtigung für das Heute, wie in «Genesung» (1956, Konrad Wolf). Später verschärfte Wolf mit «Der geteilte Himmel» (1964, nach Christa Wolf) die existenzielle Kontroverse zwischen Ost und West zu einem scharfen Konflikt. Jedoch zeigte sich auch ein neuer Realismus mit «Ecke Schönhauser» (1957, Gerhard Klein) und weiteren sogenannten Berlin-Filmen. Der entscheidende Film-Schritt war pragmatisch: die Drehstäbe gingen raus aus den Ateliers - auf die Straße, ins Leben, in den wirklichen Alltag.

Märchenhaftes und Komisches

Anklang bei den Zuschauern fand die Defa auch mit Kinder- und Märchenfilmen, allen voran der frühe Farbfilm «Der kleine Muck» (1953, Wolfgang Staudte), ein zeitloses, turbulentes Märchen aus dem Orient. Auch Satirisches wurde entwickelt. 1953 startete die Defa die Serie «Stacheltiere», satirische Kurzfilme, die im Vorprogramm zum Hauptfilm gezeigt wurden. Sie wurden schnell sehr beliebt bei den Zuschauern, weil sie weitgehend unterhalb von gesellschaftlichen Tabus Missstände des Alltags der Lächerlichkeit preisgaben, eine willkommene Abwechslung, dazu glänzend gespielt.

Ansonsten hatte die Defa weniger Glück mit der komischen Gestaltung der Gegenwart. Kollektivierungskomödien wie «Senta auf Abwegen» (1959, Martin Hellberg) oder «Alwin der Letzte» (1960, Hubert Hoelzke), die schwankhaft zum Beitritt in die LPG aufriefen, fanden kaum nennenswerte Resonanz, weil sie die komplizierten Vorgänge der Kollektivierung auf Klamauk herunterbogen.

Die jungen Neuen

Eine neue Generation Filmemacher trat mit der Komödie «Junges Gemüse» (1956) an: Hier debütierten Günter Reisch (Regie), Günther Rücker (Szenarist), Alfred Hirschmeier (Filmarchitektur), die später das Gesicht der Defa erheblich prägen sollten. Diese Vorstöße in die Moderne vertrugen sich lange Zeit nebeneinander, waren ineinander verschlungen, befruchteten sich gegenseitig. Was sich als Generationenauseinandersetzung darstellte, war jedoch im Grunde der zähe, widerspruchsreiche, fließende Übergang der DDR-Filmproduktion in die Moderne: sprich, zu einer zuschauerfreundlichen Filmkunst, die Sehnsüchte und Erwartungen möglichst vieler Zuschauer erreichen wollte.

Kein Defa-Künstler wollte fürs Archiv produzieren, sondern für ein voll besetztes Kino mit möglichst vielen Vorstellungen. Die jungen Neuen gingen auch bei der filmischen Darstellung des Faschismus neue Wege in Form von neuen Bildlösungen: Konrad Wolfs «Lissy» (1957) oder Frank Beyers «Königskinder» (1962). Hier schlossen auch die ersten Absolventen der 1954 gegründeten Filmhochschule Babelsberg an. Und darauf bauten spätere Kollegen mit ihrer speziellen Bildsprache auf.

Roland Oehme, Lothar Warneke, Roland Gräf legten damit dann den Grundstein für die Defa-Filmentwicklung der späteren Jahre.

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