nd-aktuell.de / 04.05.2021 / Politik / Seite 7

Krieg gegen die Umwelt

Die für eine sozial-ökologische Wende und globalen Klimaschutz nötigen Mittel sind nur ein Bruchteil der weltweiten Rüstungskosten

Karl-Heinz Peil

Kriege führen zu massenhaften Verlusten an Menschenleben durch die unmittelbaren Kampfhandlungen. Ihre Folgen reichen jedoch noch weiter. So wurde die Umwelt immer wieder für kriegerische Zwecke in Mitleidenschaft gezogen, Felder wurden verbrannt, Gewässer vergiftet und Land unbrauchbar gemacht, um der Bevölkerung und gegnerischen Truppen die Existenzgrundlage zu entziehen. Immer mehr kommt es bei Kriegen direkt oder indirekt auch zur Schädigung natürlicher Ökosysteme. Gewaltige Schädigungen verursachte der Zweite Weltkrieg mit Flächenbombardements und der Verminung von Land und Ozeanen. Viele Waffeneinsätze haben zudem Langzeitwirkungen für die menschliche Gesundheit durch Schadstoffe, die sich im Trinkwasser und der Nahrungskette anreichern.

Kriege und Kriegsfolgen

Die Atombombenabwürfe auf Hiroshima[1] und Nagasaki waren der erste Massenmord der Geschichte mit unmittelbar mehr als 100.000 Toten. Noch gravierender waren die Langzeitwirkungen der radioaktiv verseuchten Orte. Dort starben über die Jahrzehnte weitere Hunderttausende nach qualvollen Erkrankungen. Die erst im Gefolge des Moskauer Vertrages über den teilweisen Teststopp von 1963 eingestellten oberirdischen Kernwaffentests verursachten ebenfalls weitreichende Schäden für Mensch und Umwelt.

Langzeitschäden in Vietnam

Der Einsatz auch nur eines Bruchteils der heutigen atomaren Waffenarsenale, die offiziell der »Abschreckung« dienen sollen, würde nach Studien eine Klimakatastrophe (»atomarer Winter«) auslösen und die Menschheit schwer treffen. Der Vietnam-Krieg in den 60er und 70er Jahren war der erste Krieg, der sich gezielt auch gegen Natur und Umwelt richtete. Das US-Militär setzte großflächig das Entlaubungsmittel Agent Orange ein, um Wälder und Nutzpflanzen zu zerstören. Damit sollte die Nutzung des Dschungels als Versteck und gegnerische Nachschubroute unterbunden werden. Millionen Menschen in Vietnam erkrankten oder starben; bis heute kommen dort Kinder mit genetischen Schäden zur Welt.[2]

In den Kriegen der US-geführten Koalition gegen den Irak 1991 und 2003 kam es zu Umweltschäden in Gestalt von Flächenbränden kuwaitischer und irakischer Erdölfelder, verursacht vor allem von den sich zurückziehenden Truppen Saddam Husseins. Im Irak wie auch im Nato-Krieg gegen Jugoslawien wurde Munition eingesetzt, die aus metallischen Uranabfällen mit enormer Härte und Dichte sowie mit Rest-Radioaktivität besteht, womit eine hohe Durchschlagskraft beim Auftreffen auf Ziele erreicht wird. Durch die auftretenden sehr hohen Temperaturen wird das Uran in Mikropartikel zerstäubt und in der Umwelt breit verteilt. Bei Menschen dringen diese Partikel in die Blutbahn ein und rufen schwere genetische Schäden sowie Krebserkrankungen hervor. Dies ist aus den genannten Kriegsgebieten zwar gut dokumentiert, wird aber dennoch vertuscht. Angesichts der radioaktiven Halbwertszeit des angereicherten Urans von 4,7 Milliarden Jahren bestehen damit Umweltlasten für die Ewigkeit.

Doch nicht nur Kriege verursachen Schäden für Umwelt und Klima. Das Militär schädigt bereits durch Aktivitäten wie Truppenbewegungen, Manöver und dergleichen die Umwelt und trägt damit zum Klimawandel bei. Weltweit verbraucht es riesige Mengen fossiler Brennstoffe und setzt beträchtliche Mengen an Treibhausgasen frei. In einer Studie über die Treibstoffnutzung des Pentagon, Klimawechsel und Kriegskosten verweist die US-amerikanische Politologin Neta Crawford auf den riesigen Energiebedarf der Streitkräfte, meist in Form fossiler Brennstoffe. So ist das Pentagon der weltweit größte institutionelle Verbraucher von Erdöl und damit auch der größte institutionelle Verursacher von Treibhausgasen. Allein in einem Jahr seien diese Emissionen größer als die vieler Staaten. So seien die vom Pentagon verursachten Treibhausgas-Emissionen 2017 höher gewesen als die von Industrieländern wie Schweden, Dänemark und Portugal.

Wenn das US-Militär seine Treibhausgas-Emissionen signifikant senkte, so Crawford, würde es die Sicherheitsbedrohungen infolge von Klimawandel weniger wahrscheinlich machen. Immerhin seien Militär und Geheimdienste zunehmend besorgt, dass der Klimawandel die nationale und internationale Sicherheit bedrohe und sogar zu kriegerischen Konflikten führen könnte. Allerdings würde dabei übersehen, dass das Pentagon durch seine Treibhausgas-Emissionen selbst erheblich dazu beitrage.

Gefährliche Manöver

In dem 1997 verabschiedeten Kyoto-Protokoll wurde als Maßnahme gegen die globale Erwärmung festgelegt, dass alle Länder jährliche Rechenschaftsberichte über die von ihnen verursachten Treibhausgase erstellen, mit Hinweisen zu Reduktionszielen bei den ausgewiesenen Einzelpositionen. Auf Betreiben der USA wurde aber das Militär ausgeklammert. Wenngleich mittlerweile in den sogenannten Nationalen Inventarberichten überwiegend die militärisch verursachten CO2-Emissionen ausgewiesen werden, so bleiben diese doch recht lückenhaft. Denn das Militär verursacht nicht nur CO2-Emissionen durch Wärme- und Stromverbrauch in den heimischen Liegenschaften und den zivilen Fuhrpark, sondern mehr oder weniger bei Auslandseinsätzen, die auch in Deutschland immer mehr zur erklärten Zielsetzung werden. Letztere werden aber in CO2-Inventarberichten nicht dokumentiert.

Im Ende 2019 beschlossenen Klimapaket der Bundesregierung kommt das Militär in Gestalt der Bundeswehr nicht vor, obwohl sie den überwiegenden Teil der CO2-Emissionen von Bundesinstitutionen verursacht. In Deutschland wird zwar formell der größte Teil an CO2-Emissionen jährlich dokumentiert, aber ohne Reduktionsziele. Allerdings ist die Bundeswehr mit circa 250.000 militärischen und zivilen Beschäftigten die mit Abstand größte Institution auf Bundesebene und damit auch größter Verursacher von Treibhausgasen unter Regierungsverantwortung.

Doch auch wenn es keine öffentlichen, umfassenden Messwerte über die Emissionen der Bundeswehr gibt - sie sind enorm. Darauf verweist Jacqueline Andres in der Analyse »Krieg und Umwelt« der Informationsstelle Militarisierung. Es geht um ständige Kriegseinübung, die Errichtung und logistische Versorgung von Militärstützpunkten sowie die mit dem Militär zusammenhängende Rüstungsproduktion.

Dazu einige Fakten:

  • Pilot*innen der Luftwaffe und Soldat*innen müssen Flugstunden absolvieren bzw. lernen, Panzer zu fahren oder Schiffe zu steuern. Solche militärischen Großgeräte verbrauchen Treibstoff in ganz anderen Dimensionen als zivile Fahrzeuge, ein Kampfpanzer Leopard 2 im Gelände z. B. rund 539 Liter Diesel auf 100 Kilometer, ein Kampfjet Eurofighter etwa 3500 kg Treibstoff, wobei im Jahr 2018 die Eurofighter der Bundeswehr 10 480 Stunden in der Luft waren und damit 115.280 Tonnen CO2 ausstießen.
  • Zahlreiche nationale und multilaterale Militärmanöver schädigen nicht nur die zivile Infrastruktur, vor allem Straßen und Brücken, sondern auch die Natur. Militärischer Übungsbetrieb ist stets verbunden mit Belastungen für natürliche Lebensgrundlagen und Gesundheit von Menschen. 2019 führte die Nato insgesamt 102 gemeinsame Militärübungen durch; hinzu kamen 208 Übungen der Mitgliedstaaten im nationalen oder multilateralen Rahmen. Militärische Großübungen wie Defender 20 oder Atlantic Resolve haben die Verlegung von Soldaten und militärischem Großgerät quer durch Europa zum Ziel. Auch auf russischer Seite wird nicht an Großmanövern gespart.
  • Militärübungen verursachen auch »Kollateralschäden«. So führte eine 2018 trotz akuter Waldbrandgefahr bei Meppen durchgeführte Raketenübung zu einem vier Wochen dauernden Moorbrand, der nach Schätzungen der Umweltorganisation Nabu etwa 500.000 Tonnen CO2 freisetzte. Übungen mit Luftbetankungen von Kampfjets führen zu Schadstoffemissionen wie Kerosinablässe von Transportmaschinen vor (Not-)Landungen. Das erfolgt vorzugsweise über Naturregionen wie z.B. dem Pfälzer Wald im Einzugsbereich der US Air Base Ramstein.
  • Einen »ökologischen Fußabdruck« hinterlassen auch die Militärstützpunkte. Allein die USA unterhalten über 800 Militärbasen außerhalb des Landes und eine starke maritime Dauerpräsenz auf den Weltmeeren.
  • Erhebliche Belastungen für Umwelt und Klima im laufenden Betrieb verursacht die Entwicklung und Produktion von Rüstungsgütern. In den USA wird circa 15 Prozent der Industrieproduktion für die Rüstung aufgewendet. Die damit verbundenen ökologischen Schäden durch Schadstoffbelastungen über die gesamte Produktionskette und Treibhausgas-Emissionen sind immens.

Eine besondere Thematik, die erst in den letzten Jahren in den Fokus gerückt ist, sind per- und polyfluorierte Kohlenwasserstoffe. Da diese Stoffe in der Umwelt biologisch praktisch nicht abbaubar sind, können sie auch als Ewigkeitslasten bezeichnet werden. Durch Einträge in Boden und Grundwasser führen diese zu Anreicherungen in der Nahrungskette und toxischen Langzeitwirkungen im menschlichen Organismus. Zwar sind diese Stoffe prinzipiell in Tausenden von Alltagsprodukten enthalten, jedoch gilt ihre Verwendung in Feuerlöschschäumen zur Brandbekämpfung bei Flugzeugen als mit Abstand größter Einzelverursacher. Das erfolgte in der Vergangenheit zwar auch auf zivilen Flughäfen, jedoch exzessiv durch das US-Militär, um die kostspieligen Kampfjets vor Beschädigungen am Boden bei Feuerausbruch zu schützen. In den USA gelten etwa 1000 Standorte mit solchen Stoffen belastet. Auch in Deutschland ist das bei über 100 militärischen Standorten der Fall oder befindet sich noch in der Untersuchung auf entsprechende Kontaminationen.

Konfrontation statt Kooperation

Kriege und Übungen mit Kriegsgeräten haben eines gemeinsam: Rücksichtnahmen auf die Umwelt und Langzeitfolgen - auch für die menschliche Gesundheit - sind aufgrund der Mentalität des Militärs irrelevant. Allein die Beseitigung militärischer Altlasten[3] müsste im Überlebensinteresse künftiger Generationen zwingend eine Umleitung heutiger Rüstungsausgaben erfordern. Doch nicht nur Kriege, Kriegsübungen und deren Folgen stellen eine Menschheitsbedrohung dar. Die weiterhin eskalierenden Rüstungsausgaben entziehen notwendige Ressourcen für eine sozial-ökologische Wende sowie globalen Klimaschutz. Die hierfür dringend erforderlichen Aufwendungen betragen nur einen Bruchteil der weltweiten Aufrüstung. »Militärische Sicherheit« wird immer mehr zum Euphemismus für die reale Unsicherheit der menschlichen Existenz.

Weitere Aufrüstung hat unweigerlich eine von zwei existenzvernichtenden Konsequenzen: entweder durch einen globalen Atomkrieg oder durch die von Aufrüstung bedingte Verhinderung wirkungsvoller Maßnahmen gegen die globale Erwärmung. »Militärische Sicherheit« steht zugleich auch für Konfrontation in Zeiten notwendiger globaler Kooperation, die aktuell zur Bekämpfung der Corona-Pandemie notwendig ist.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1140129.gedenken-an-den-atombombenabwurf-vor-jahren.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1106198.nd-solidaritaetsaktion-verwandtschaft-des-schreckens.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1109236.militaerische-altlasten.html