nd-aktuell.de / 06.05.2021 / Brandenburg / Seite 11

Nicht mehr vergeblich Unterschriften sammeln

Künftig soll gleich zu Beginn geprüft werden, ob ein Bürgerbegehren überhaupt zulässig ist

Andreas Fritsche

Die Gemeinde Stahnsdorf baut am Dahlienweg eine Kita, in der ab dem kommenden Jahr 150 Kinder betreut werden sollen. Man rechnet mit 340 Pkw, die dann täglich durch die Siedlung rollen, weil Eltern ihre Kinder mit dem Auto bringen und abholen. Anwohner befürchten ein Verkehrschaos, haben eine Bürgerinitiative gegründet und Unterschriften gesammelt. Bürgermeister Bernd Albers (parteilos) befürchtet auch etwas: dass sich die Fertigstellung der Kita durch den Widerstand verzögert.

Albers erzählt den Fall am Mittwoch bei einer Anhörung im Innenausschuss des Landtags. Dort geht es um verschiedene Änderungen an der brandenburgischen Kommunalverfassung, unter anderem um bessere Bedingungen für Bürgerbegehren in den Städten und Gemeinden. Was es kosten würde, die Wünsche der Bürger zu erfüllen, und ob es zulässig ist, was sie fordern, soll künftig gleich zu Beginn der Sammlung der Unterschriften geprüft werden. Bisher wird die Zulässigkeit in Brandenburg erst nach Abgabe der Listen geprüft. In rund vier von zehn Fällen werden die Bürgerbegehren dann kassiert, wegen Formfehlern, weil die zur Unterschrift vorgelegte Frage unklar formuliert war oder weil nicht zu finanzieren sei, was da gefordert werde.

Das betraf 2016 das Bürgerbegehren »Kein Ausverkauf der Potsdamer Mitte«. 14 741 Einwohner hatten in dem Glauben unterschrieben, sie könnten etwas gegen den Abriss der alten Fachhochschule und des Wohnkomplexes Staudenhof tun. Sie hatten sich aber auf diese Weise nur dagegen ausgesprochen, dass der Abriss der letzten stadtbildprägenden Gebäude der Nachkriegsepoche mit städtischen Mitteln finanziert wird. Denn der Abriss fußte auf politischen Entscheidungen der Jahre 1999 und 2006. Die Frist, in der man diese Entscheidungen noch direkt hätte angreifen können, war längst verstrichen. Das Stadtparlament beschloss nach Abgabe der Unterschriften, das Bürgerbegehren sei unzulässig, und das Verwaltungsgericht bestätigte dies.

Dass 41 Prozent der Bürgerbegehren in Brandenburg als unzulässig eingestuft werden, nennt Achim Wölfel vom Verein »Mehr Demokratie« in der Anhörung eine »ungewöhnlich hohe Quote«. Bundesweit seien es nur 25 Prozent. In Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Berlin, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und im Saarland gebe es die Vorprüfung der Zulässigkeit schon, sagt Wölfel. Für unbegründet hält er die Befürchtung, dass die Kostenschätzung die Kommunalverwaltungen überlasten könnte, weil Bürger aus Neugier nur so tun, als wollten sie ein Bürgerbegehren starten. »Die Bürger haben Besseres zu tun«, meint Wölfel.

Die Gefahr einer Überlastung sieht Monika Gordes vom Städte- und Gemeindebund. Sie verlangt, dass nicht nur zwei Prozent der Einwohner oder höchstens 500 von ihnen unterschreiben müssen, damit die Verwaltung die Kosten eines Vorschlags schätzt, bevor weiter Unterschriften gesammelt werden. Gordes wünscht sich fünf Prozent als Hürde. In Städten mit über 100 000 Einwohnern - in Brandenburg sind das nur Potsdam und Cottbus - sollen übrigens höchstens 1000 Einwohner unterscheiben müssen.

Eine weitere Änderung der Kommunalverfassung zielt darauf ab, für die Sitzungen von Kreistagen, Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindevertretungen dauerhaft zu erlauben, dass sich bis zu 30 Prozent der Teilnehmer per Internet zuschalten. Während der Corona-Pandemie sind Sitzungen per Videokonferenz seit 15. April 2020 erlaubt, allerdings vorerst nur bis 30. Juni 2021. In Hohen Neuendorf habe man gute Erfahrungen mit Videokonferenzen gemacht, sagt Hauptamtsleiter Volker-Alexander Tönnies. Dagegen berichtet Schwielowsees Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) in der Anhörung von technischen Problemen wegen schlechter Internetverbindungen. Es mussten in solchen Fällen auch schon Sitzungen nachgeholt werden, wobei sich dann doch wieder alle Teilnehmer in einem Raum trafen. »Es darf nicht sein, dass Sitzungen in Frage gestellt werden, nur weil sich ein Gemeindevertreter nicht richtig angehört gefühlt hat«, findet Hoppe.