nd-aktuell.de / 09.06.2021 / Ratgeber / Seite 24

Ist eine harte Flugzeuglandung als ein Unfall zu bewerten?

der eugh urteilte über entschädigungsansprüche

Mit dieser Frage musste sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) als das höchste Gericht in der Europäischen Union befassen und urteilte: Wer sich bei einer harten Flugzeuglandung verletzt, hat nach einem Grundsatzurteil des EuGH nicht zwingend Anspruch auf Schadenersatz. Unabhängig von der persönlichen Wahrnehmung einzelner Passagiere handele es sich unter bestimmten Bedingungen nicht um einen Unfall, so der EuGH am 12. Mai 2021 (Rechtssache C-70/20).

Im verhandelten Fall hatte eine Passagierin aus Österreich bei einem Flug von Wien nach St. Gallen wegen einer harten Landung einen Bandscheibenvorfall erlitten. Sie klagte gegen die Altenrhein Luftfahrt und forderte eine Zahlung von 69 000 Euro zuzüglich Zinsen. Die Frau stützte ihre Klage darauf, dass die Landung als Unfall im Sinne des Übereinkommens von Montreal einzustufen sei. Das Abkommen regelt Haftungsfragen im internationalen zivilen Luftverkehr und gilt auch in der EU.

Die Airline machte geltend, dass die Landung auf dem Schweizer Flughafen St. Gallen/Altenrhein im normalen Betriebsbereich des Flugzeugs erfolgt sei. Es handele sich um ein typisches Ereignis während eines Flugs. Im Urteil des Obersten Gerichts Österreichs heißt es, dass auf dem Flughafen aus flugtechnischer Sicht »wegen der alpinen Lage eine harte Landung sicherer als eine zu weiche« sei. Ein Pilotenfehler habe nicht festgestellt werden können.

In Artikel 17 des Übereinkommens von Montreal heißt es: »Der Luftfrachtführer hat den Schaden zu ersetzen, der dadurch entsteht, dass ein Reisender getötet oder körperlich verletzt wird, jedoch nur, wenn sich der Unfall, durch den der Tod oder die Körperverletzung verursacht wurde, an Bord des Luftfahrzeugs oder beim Ein- oder Aussteigen ereignet hat.«

Daraus ergebe sich, dass das Luftfahrtunternehmen nur dann hafte, wenn das Ereignis als »Unfall« einzustufen sei, so die EuGH-Richter.

Sie kamen zu dem Schluss, dass es sich bei einer Landung, »die im Einklang mit den für das betreffende Flugzeug geltenden Verfahren und Betriebsgrenzen (...) und unter Berücksichtigung der Regeln der Technik und der bewährten Praktiken auf dem Gebiet des Betriebs von Luftfahrzeugen durchgeführt wird«, nicht um einen Unfall handele. Dies gelte auch dann, wenn der betroffene Fluggast die Landung als unvorhergesehenes Ereignis wahrgenommen habe.

Die Anwälte der Altenrhein Luftfahrt bezeichneten die EuGH-Entscheidung als »eine wichtige richtungsweisende Klarstellung für die gesamte internationale Luftfahrt«. Die Landung sei gemäß EuGH im Rahmen der Betriebsgrenzen erfolgt, so dass keine Ansprüche auf Schadenersatz durch die Airline bestehen.

Im konkreten Fall muss nun die österreichische Justiz noch eine Entscheidung auf Basis des EuGH-Urteils treffen. dpa/nd