Ein absehbares Scheitern

Stefan Otto über die geplatzte Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz

So wie die Koalition die Kinderrechte im Grundgesetz festschreiben wollte, wäre es nicht mehr als ein Lippenbekenntnis gewesen. Wenn die Belange von Kindern nämlich »angemessen berücksichtigt« werden sollen, dann lässt das viel Raum für Interpretationen. So viel, dass es vermutlich geringe bis gar keine Auswirkungen auf die Lebenswelt der Kinder gehabt hätte. Dass ein solcher wachsweicher Kompromiss, den Unionsparteien und SPD nach langem Ringen gefunden haben, verworfen wird, ist eigentlich kein Verlust. Denn Symbolpolitik braucht niemand. Wenngleich es natürlich bedauerlich ist, dass es für ein solch wichtiges Anliegen keine breite Mehrheit gibt.

Nun bleibt zu hoffen, dass das Thema nach der Bundestagswahl nicht vom Tisch ist und ein neuer Versuch für eine Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz gestartet wird, um das Wohl der Kinder besser zu schützen. Weil eine Grundgesetzänderung aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament und im Bundesrat braucht, wird es einen weitreichenden Konsens geben müssen – der mehr als Symbolik sein muss, das steht mit dem jetzigen Scheitern der Initiative fest.

Wenn tatsächlich die Belange der Kinder »vorrangig« behandelt würden, wie es die EU-Grundrechtecharta einfordert – und wie es die Grünen, die Linke und ein breites außerparlamentarisches Bündnis begrüßen würden –, dann könnten die Auswirkungen einer solchen Gesetzesänderung beträchtlich sein: In vielen Lebensbereichen würden neue Maßstäbe gesetzt werden können – etwa in der Verkehrsplanung, die bislang vor allem die Belange der Autofahrer*innen berücksichtigt, oder im Städtebau, bei dem die Lebenswelt der Kinder stärker bedacht werden müsste. Es wären Schritte, die letztlich nicht nur zum Wohle der Kinder, sondern aller beitragen würden.

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